Befund zur Multi-Item-Skala:Zur Frage insgesamt und zur Frageformulierung gab es keine nennenswerten Kommentare oder Reaktionen
seitens der Testpersonen.
Systematisch getestet wurden die Items c) und d). Zu den anderen Items liegen – wenn überhaupt –
nur spontane Reaktionen der Testpersonen vor.
Empfehlungen zur Multi-Item-Skala:Um die Gefahr eines Reihenfolgeeffektes zu verringern, könnten die Items in einem Online-
Fragebogen randomisiert dargeboten werden.
Eingesetzte kognitive Technik/en:Category Selection Probing, General Probing, Specific Probing.
Befund zum Item:Die meisten Testpersonen geben an, sich „sehr eng“ (sechs TPs) oder „eng“ (zehn TPs) mit Deutschland
verbunden zu fühlen und nennen als Begründung jeweils positive Aspekte, die sie mit Deutschland in
Verbindung bringen (z.B. Heimat, Sozialsystem, „deutsche Tugenden“). Lediglich vier Testpersonen
fühlen sich „nicht sehr eng“ mit Deutschland verbunden. Zwei dieser vier Testpersonen geben an, auch
woanders genauso gut leben zu können (TP 08, TP 09). Die beiden anderen Personen, die sich nicht
sehr eng mit Deutschland verbunden fühlen, begründen ihre Antwort mit ihrer Unzufriedenheit mit
der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Lage in Deutschland (TP 10, TP 15).
Die Beantwortung der Frage erfolgte unter Berücksichtigung vier verschiedener Referenzgrößen. Eine
Testperson zog einen Vergleich zu früheren Zeiten heran, zwei Personen argumentierten mit der Reihenfolge,
in der die Einheiten präsentiert werden (von Wohnort, über Bundesland hin zu Deutschland
und abschließend Europa), neun Personen zogen einen Vergleich mit anderen Ländern heran und die
übrigen Testpersonen hatten einzelne Aspekte Deutschlands im Hinterkopf. Diese Ergebnisse zeigen,
dass die Befragten unterschiedliche Vergleiche anstellen, um zu einer Antwort zu kommen. 18 Testpersonen
können auf diese Weise unproblematisch antworten. Wenn ein Kontexteffekt, wie er bei zwei
der Befragten aufgrund der Reihenfolge der Items auftritt, vermieden werden soll, kann die Abfolge
der Items variiert werden.
Generell ziehen 19 der 20 Testpersonen zur Begründung ihrer Antworten eine von zwei Argumentationslinien
heran. Eine Gruppe (neun TPs) argumentiert mit einer emotionalen Verbundenheit, die durch
Geburt, Aufwachsen und Sozialisation in einem Land entsteht:
„Weil ich finde, dass mich die deutsche Nationalität schon sehr geprägt hat. Gerade wenn ich
im Ausland bin und man im Gespräch darauf kommt, dass man Deutscher ist, dann verbindet
man damit immer auch bestimmte Eigenschaften.“ (TP 07)
„Ich bin gebürtige Deutsche und ich könnte mir nicht vorstellen, zu einem anderen Land ein
solches Vertrauen zu haben oder so eng verbunden zu sein wie mit Deutschland. Schon allein
die Mentalität der Deutschen […].“ (TP 12)
„Ist vielleicht auch, weil ich hier aufgewachsen bin, ich bin hier sozialisiert […].“ (TP 13)
Die zweite Gruppe (zehn TPs) begründet ihre Antwort mit ihrer (Un-)Zufriedenheit mit bzw. ihrem
Stolz auf verschiedene Dinge in Deutschland (Lebensumstände, Sozialsystem, Leistungen in Wirtschaft/
Kultur/Sport/Politik):
„Ich halte nicht sehr viel von dem Land, von Deutschland. Das ist mein Standpunkt, was Soziales,
Wirtschaftliches usw. angeht.“ (TP 15)
„Das liegt an der sozialen Sicherheit, dem ganzen Aufbau des Landes. Die ganze Struktur, wie
das Gesundheitssystem aufgebaut ist. Die ganze Sicherheit, die man hier hat, auch im Sozialfall.
Die Absicherung.“ (TP 19)
„Ich denke, wir können stolz darauf sein, dass wir Deutsche sind, weil Deutschland ein guter
Staat ist. Demokratie, wirtschaftlich geht es einigermaßen gut. […] Daher fühle ich mich damit
auch verbunden.“ (TP 20)
Bezüglich dieser zweiten Interpretationsmöglichkeit bzw. Argumentationslinie (Zufriedenheit/Stolz)
sind wir uns unsicher, ob sie wirklich ein Teil des Konstrukts ist, das mit dieser Frage erfasst werden
soll. Unabhängig hiervon liefern unsere (verbalen) Daten jedoch keine Hinweise darauf, dass die Antworten
der Testpersonen sich in Abhängigkeit der Interpretationsrichtung systematisch unterscheiden.
Lediglich bei Testperson 04 ist unklar, ob sie die Intention der Frage verstanden hat oder nicht. Bis hin
zur dritten Nachfrage bleiben die geäußerten Begründungen für ihre Selbstverortung eher unspezifisch.
Weder Category Selection Probing, noch General oder Specific Probing konnten ermitteln, welches
Kriterium nebst dem Fakt Deutsche/r zu sein bzw. in Deutschland zu leben ausschlaggebend für
die Selbstverortung („sehr eng verbunden“) war.
Thema der Frage:Religion & Kultur/ Kulturelle Identität
Konstrukt:Verbundenheit mit Wohnort, Bundesland, Deutschland und Europa
Befund zum Item:Auch bei diesem Item geben die meisten Testpersonen an, sich „sehr eng“ (sechs TPs) oder „eng“ (zehn
TPs) mit Europa verbunden zu fühlen.
Prinzipiell kann zwischen zwei Perspektiven hinsichtlich der Argumentation für die Wahl der Antwortkategorie
unterschieden werden. Eine Gruppe (14 TPs) begründet ihre Antwort mit dem Hinweis auf
die Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede zwischen den europäischen Ländern bzw. den Europäern:
„Ich finde, Europa ist eigentlich ziemlich unterschiedlich. Die Nationalitäten und die Kultur
sind sehr unterschiedlich. Deswegen kann ich mich damit nicht so identifizieren, wie mit
Deutschland zum Beispiel.“ (TP 07)
„Ich denke, es gibt so etwas wie einen gemeinsamen Nenner, was die europäischen Kulturen
angeht. Und diese Denkweise unterscheidet sich doch noch ein bisschen von der US-Amerikanischen.“
(TP 09)
Die andere Gruppe der Testpersonen (sechs TPs) gibt an, dass die Verbundenheit mit Europa sich aus
der Verbundenheit mit Deutschland ergibt und dieser entspricht. Hier lässt sich vermuten, dass aufgrund
der geografischen Lage Deutschlands im Zentrum Europas, die gefühlte Verbundenheit mit dem
Herkunftsland auf die nächst höhere Ebene „Kontinent“ übertragen wird:
„Deutschland liegt ja in Europa, gehört dazu. Deswegen ist das das Gleiche, wie bei ‘Deutschland‘.“
(TP 04)
„Das hat sich eigentlich aus der vorherigen Frage (nach Deutschland) ergeben, weil Deutschland
nun einmal in Europa liegt. Und aufgrund dessen, wenn ich mich mit Deutschland eng
verbunden fühle, dann gilt das sicher auch für Europa. Das ist eigentlich der einzige Grund.
Wenn Deutschland jetzt in Amerika liegen würde, und ich mich mit Deutschland verbunden
fühlte, hätte ich angegeben ‚Amerika‘.“ (TP 17)
Mit der Ausnahme von TP 15 geben diese Testpersonen an, sich „sehr eng“ oder „eng“ mit Europa verbunden
zu fühlen, womit sie hier im Grunde nicht die eigentliche Frage (nach „Europa“), sondern noch
einmal das Item c) („Deutschland“) beantworten.
Generell fällt auf, dass die Argumentationsrichtung, die zur Begründung der Antwort auf Item c) herangezogen
wird, auch häufig zur Begründung der Antwort auf Item d) verwendet wird (z.B. Zufriedenheit
mit der Politik oder dem Sozialsystem, kulturelle Identität). Hier scheint ein Reihenfolgeeffekt von
Item c) auf Item d) vorzuliegen. Dieser Effekt findet sich auch im Antwortverhalten wieder: Bei 75 %
der Testpersonen entspricht die Antwort auf Item d) (Europa) der Antwort auf Item c) (Deutschland).
Thema der Frage:Religion & Kultur/ Kulturelle Identität
Konstrukt:Verbundenheit mit Wohnort, Bundesland, Deutschland und Europa