International Social Survey Programme (ISSP) 2013/2014
Einleitungstext (Befund/Empfehlungen):Es gibt unterschiedliche Meinungen über die Rechte der Menschen in einer Demokratie. Benutzen Sie bitte für die folgenden Fragen die Skala von 1 bis 7. Der Wert 1 bedeutet überhaupt nicht wichtig, der Wert 7 sehr wichtig. Mit den Werten dazwischen können Sie Ihre Meinung abstufen.
Befund zum Einleitungstext:Auf Nachfrage geben 13 Testpersonen an, bei der Beantwortung der gesamten Frage 2 vor allem an die Rechte der Menschen in Deutschland und nicht allgemein an die Rechte der Menschen in Demokratien (unabhängig von einzelnen Ländern) gedacht zu haben. Die Interviews liefern allerdings keine Hinweise darauf, dass die Antworten der Testpersonen lediglich für Deutschland gelten. Sie vermitteln eher den Eindruck, dass Deutschland ganz automatisch als Referenzrahmen dient, da die Menschen eben in diesem Land leben und sich in Deutschland primär mit der Demokratie auseinandersetzen.
Empfehlungen zum Einleitungstext:Einleitungstext belassen.
Fragetext:Wie wichtig ist es für Sie, …
Instruktionen:(Bitte machen Sie in JEDER Zeile ein Kreuz!)
Itemtext:a) ... dass alle Bürger einen ausreichenden Lebensstandard haben.
Empfehlungen:Item belassen.
Befund zum Item:Eine Testperson gibt an, Item a) nicht beantworten zu können („Kann ich nicht sagen“) und begründet ihre Antwort damit, dass ihr unklar sei, was mit einem „ausreichenden“ Lebensstandard gemeint sei. Ihre Antwort würde unterschiedlich ausfallen, je nachdem ob ein ausreichender Lebensstandard bedeute, dass man „Hartz IV bekomme“ oder dass jeder „eine eigene Wohnung oder ein eigenes Haus habe.“
Thema der Frage:Politik/ Einstellungen, Bewertungen & Ideologien
Konstrukt:Einstellung zu demokratischen Rechten
Ja
b) ... dass Staat und Behörden die Rechte von Minderheiten achten und schützen.
Nein
c) ... dass man den Menschen Möglichkeiten gibt, an politischen Entscheidungen teilzuhaben.
Nein
d) ... dass Bürger die Möglichkeit des zivilen Ungehorsams haben, um ihre deutliche Ablehnung gegenüber Regierungsentscheidungen zum Ausdruck zu bringen.
Itemtext:d) ... dass Bürger die Möglichkeit des zivilen Ungehorsams haben, um ihre deutliche Ablehnung gegenüber Regierungsentscheidungen zum Ausdruck zu bringen.
Empfehlungen:Umformulieren in:
„dass Bürger die Möglichkeit des gewaltlosen Protests haben, um ihre deutliche Ablehnung gegenüber Regierungsentscheidungen zum Ausdruck zu bringen.“
Oder kürzer und für die Befragten leichter verständlich:
„dass Bürger die Möglichkeit des gewaltlosen Protests gegenüber Regierungsentscheidungen haben.“
Befund zum Item:Dieses Item wird überwiegend als wichtig bzw. sehr wichtig eingestuft (n=16). Drei Testpersonen vergeben den Mittelwert und eine Testperson stuft das Item als „eher nicht wichtig“ ein.
Beim Beantworten der Aussage d) äußern vier Testpersonen spontan Verständnisschwierigkeiten mit dem Begriff des zivilen Ungehorsams:
„Das ist ein bisschen kompliziert. Was soll das bedeuten? Man weiß was ‚zivil‘ und ‚Ungehorsam‘ ist, aber jetzt in diesem Zusammenhang? Wie ist das gemeint?“ (TP 01)
„Ich würde das jetzt so verstehen, dass die dann demonstrieren dürfen. Ist das so gemeint?“ (TP 11)
„Wie wird ‚ziviler Ungehorsam‘ definiert?" (TP 12)
Die Probing-Frage, was die Testpersonen unter dem Begriff ‚ziviler Ungehorsam‘ verstehen, ergab, dass vier weitere Testpersonen Verständnisschwierigkeiten bei der Beantwortung des Items hatten. Dies lag vor allem daran, dass den Testpersonen unklar war, ob der Begriff sich lediglich auf gewaltlosen Protest bezieht oder auch gewalttätige Proteste mit einschließt:
„Das ist echt schwierig. Ich habe jetzt an Demonstrationen gedacht oder generell vielleicht an Unterschriftensammlungen. Aber ob das jetzt schon ziviler Ungehorsam ist? Ich wüsste jetzt nicht genau, ob ziviler Ungehorsam bedeutet, dass etwas verboten ist oder ob es dabei nur um das legale Auflehnen gegen eine politische Entscheidung geht.“ (TP 06)
„An dem Begriff bin ich hängen geblieben. Den fand ich schwierig von der Formulierung her, weil ich gedacht habe, was verbirgt sich dahinter oder was würde ich darunter verstehen? Was ich mir vorgestellt habe, ist das Recht auf Versammlung, Demonstrationen. Dass man in einem zivilen Rahmen, also friedlich und gewaltfrei demonstriert, zum Beispiel.“ (TP 08)
„Ziviler Ungehorsam erstreckt sich von Zerstörung bis Häuserbesetzung. Zerstörung: nein, Häuserbesetzung und Protestkundgebungen: ja. Vielleicht bin ich da naiv, aber ich hätte es gerne so, dass andere nicht zu Schaden kommen und dass kein Eigentum zerstört wird. Randale gehören für mich nicht dazu, deswegen ist die Beantwortung für mich ganz schwierig. Wo ist die Grenze?“ (TP 12). Testperson 12 merkt an, dass Ihre Antwort („wichtig“, Skalenwert 6) nur für den Fall gelte, dass es bei dieser Aussage um gewaltlosen Protest gehe.
„Da denke ich an Stuttgart 21, an Demonstrationen. Es gibt unterschiedliche Arten von ‚zivilem Ungehorsam‘. Bspw. kann man an gewaltlosen Demonstrationen teilnehmen oder aber auch an welchen bei denen es zu schweren Ausschreitungen kommt. Daher liege ich so in der Mitte. Ich bin schon dafür, dass die Bürger das Demonstrationsrecht, welches ein Grundrecht ist, wahrnehmen können bzw. sollen. Aber ich lehne gewaltsame Demonstrationen grundsätzlich ab.“ (TP 15)
Zwei Testpersonen interpretieren den Begriff eindeutig falsch:
„Dass man straffällig wird vielleicht? Dass man seinen Pflichten nicht nachgeht?“ (TP 03)
„Das hört sich für mich so an, als ob es hier nicht um Demonstration geht. Ziviler Ungehorsam, das ist etwas, was man gegen das Gesetz macht. Und das finde ich jetzt nicht so ok. […] Fensterscheiben einschlagen oder so etwas oder Autos demolieren, aus Wut oder aus Protest." (TP 13)
Aufgrund dieser Fehlinterpretation geben diese beiden Testpersonen an, dass dieses Recht für Menschen in einer Demokratie eher nicht wichtig sei (Skalenwerte 3 und 4).
Die restlichen zehn Testpersonen interpretieren den Begriff des zivilen Ungehorsams überwiegend als gewaltlosen Protest und verstehen darunter Protestformen wie Streiks und Demonstrationen.
Die Schwierigkeiten, die bei der Beantwortung von Aussage d) aufgrund des Begriffs des „zivilen Ungehorsams“ entstehen, werden auch dadurch verdeutlicht, dass die Hälfte der Testpersonen (n=10) angibt, die Beantwortung der Aussage sei ihr aufgrund der Begrifflichkeit „eher schwer“ oder „sehr schwer“ gefallen.
Thema der Frage:Politik/ Einstellungen, Bewertungen & Ideologien
Konstrukt:Einstellung zu demokratischen Rechten
Ja
e) ... dass Regierungen die demokratischen Rechte unter allen Umständen achten.
Nein
f) ... dass Menschen, die wegen schwerer Verbrechen verurteilt wurden, ihre Bürgerrechte verlieren.
Itemtext:f) ... dass Menschen, die wegen schwerer Verbrechen verurteilt wurden, ihre Bürgerrechte verlieren.
Empfehlungen:Der Begriff „Bürgerrechte“ sollte durch die Verwendung mehrerer Items, die jeweils ein Bürgerrecht behandeln, spezifiziert werden, z.B.:
1. „dass Menschen, die wegen schwerer Verbrechen verurteilt wurden, das Wahlrecht verlieren.“
2. „dass Menschen, die wegen schwerer Verbrechen verurteilt wurden, das Petitionsrecht verlieren.“
3. „…“ usw.
Befund zum Item:Vier Testpersonen (TP 05, TP 07, TP 10, TP 13) geben an, dass sie Schwierigkeiten haben, den korrekten Skalenwert zu finden, um zum Ausdruck zu bringen, dass sie nicht möchten, dass „Menschen ihre Bürgerrechte verlieren“:
„Wie wichtig ist mir das, dass die sie verlieren? Das ist mir nicht wichtig. Die finde ich ein bisschen komisch die Frage. Man hat irgendwie das Gefühl, man muss es in die andere Richtung machen [auf der Skala], aber ich verstehe es jetzt so, die Bürgerrechte hat ja jeder Bürger, auch wenn er Verbrechen begangen hat, deswegen möchte ich nicht, dass er die verliert.“ (TP 07)
„Da habe ich so ein bisschen ein Problem mit der Skala, also ‚überhaupt nicht wichtig‘. Dass man halt sagt, finde ich nicht wichtig, dass die die verlieren oder finde ich sehr wichtig, dass sie die verlieren. […] Ich finde es auch wichtig, dass die sie nicht verlieren. Ich habe da jetzt ein Problem sofort die richtige Antwortoption zu finden, weil für mich ist es sehr wichtig, dass die sie nicht verlieren. Für mich ist da eine nicht erkennbare Negation eingearbeitet. Also dann ist es eigentlich ‚überhaupt nicht wichtig‘, weil die sollen sie nicht verlieren.“ (TP 10)
Vier weitere Testpersonen (TP 03, TP 08, TP 09, TP 17), von denen drei „Kann ich nicht sagen“ antworten, äußern den spontanen Kommentar, dass sie nicht wüssten, ob diese Aussage der Realität entspräche oder nicht. Darüber hinaus geben sie an, dass ihnen unklar sei, welche Rechte mit „Bürgerrechten“ gemeint seien:
„Ich denke, wenn man Schwerstverbrechen begangen hat, muss man verurteilt werden, aber ich bin mir nicht sicher, ob man dadurch die Bürgerrechte verlieren sollte. Kann ich nicht einschätzen. Da müsste vielleicht ein Beispiel genannt werden.“ (TP 08)
„Verstehe ich das richtig, dass Menschen, die wegen schwerer Verbrechen verurteilt wurden, ihre Bürgerrechte verlieren? Bin ich jetzt gar nicht so informiert. Verliert man da alle Rechte? Das kann ich nicht sagen, da fehlt es mir an Informationen. Ich denke, er behält sicherlich einen Teil seiner Rechte. Aber hier steht ja ‚ihre Bürgerrechte verlieren‘ und das klingt ja wie alle. Aber er verliert nicht alle. Das weiß ich nicht, das kann ich nicht sagen.“ (TP 17)
Thema der Frage:Politik/ Einstellungen, Bewertungen & Ideologien
Konstrukt:Einstellung zu demokratischen Rechten
Ja
g) ... dass Menschen, die schon lange in einem Land leben, aber dort nicht eingebürgert sind, das Recht haben, bei nationalen Wahlen abzustimmen.
Itemtext:g) ... dass Menschen, die schon lange in einem Land leben, aber dort nicht eingebürgert sind, das Recht haben, bei nationalen Wahlen abzustimmen.
Empfehlungen:Umformulieren in:
„dass Menschen, die schon lange in einem Land leben, aber dort nicht eingebürgert sind, das Recht haben, bei landesweiten Wahlen abzustimmen.“
Befund zum Item:Die Testpersonen nutzen die gesamte Skalenbreite. Lediglich eine Testperson (TP 03) antwortet mit „Kann ich nicht sagen“ und begründet ihre Antwort damit, dass sie sich bei dieser Aussage enthalten möchte.
Der Begriff „nationale Wahlen“ wird von den Testpersonen nicht im intendierten Sinn (landesweite Wahlen in verschiedenen Ländern), sondern im Sinne von „Wahlen innerhalb Deutschlands“ interpretiert. Die Testpersonen denken dabei an ganz unterschiedliche Wahlen (oder Kombinationen von Wahlen). Genannt werden die Bundestagswahl (4 Nennungen), Bundestags- und Kommunalwahlen (4 Nennungen), Bundestags- und Landtagswahlen (4 Nennungen), Bundestags- und Europawahlen (1 Nennung), Stadtteil- oder Kommunalwahlen (2 Nennungen) und alle Wahlen in Deutschland (5 Nennungen).
Die Wahlen in Deutschland stellen für die Testpersonen den Referenzrahmen bei der Beantwortung des Items dar, wobei dies nicht notwendigerweise bedeutet, dass die Antworten der Testpersonen nur für Deutschland gelten. Die Interviews liefern keine Hinweise darauf, dass die Testpersonen eine abweichende Einstellung zum Wahlrecht in anderen Ländern haben (vgl. Befund zur Frage insgesamt).
Problematisch ist hingegen der Befund, dass drei Testpersonen bei der Beantwortung des Items explizit an Kommunalwahlen und nicht an nationale (also landesweite) Wahlen denken. Deren Antwort würde ganz anders ausfallen, wenn sie das Item im intendierten Sinne interpretieren würden:
„Wenn der Bürgermeister gewählt werden soll, dann glaube ich schon, dass sie teilnehmen dürfen sollten. Wenn man 20 Jahre in einer Stadt wohnt und es sind Wahlen, dann sollte man schon das Rechte haben, wählen zu dürfen. Wenn der Bundeskanzler gewählt wird, dann kann man schon sagen, dass dafür die Staatsbürgerschaft notwendig ist. Bei den regionalen Wahlen: ja, bei den nationalen Wahlen: nein.“ (TP 09, Antwort: „eher wichtig“, Skalenwert 5)
„Zum Beispiel innerhalb von einem Stadtteil. Dass Leute, die in dieser Stadt wohnen, schon das Recht haben mitzubestimmen, nicht in allen Belangen. Deswegen habe ich mich auch nicht weiter nach rechts orientiert, zum Teil haben Sie das Recht. Also nicht Bundestagswahlen, sondern ganz begrenzt auf einen Wohnbereich.“ (TP 19, Antwort: „mittelmäßig wichtig“, Skalenwert 4)
„Ich habe an Wahlen gedacht, die das direkte Umfeld betreffen, wie Landtag, Bürgermeisterwahl. […] Für die Bundestagswahl, da halte ich es für nicht so, da sollte man sich schon einbürgern lassen. Bei der Bundestagswahl hätte ich es anders beantwortet. Für mich war klar, dass es sich auf das kommunale Umfeld bezieht.“ (TP 20, Antwort: „wichtig“, Skalenwert 6)
Thema der Frage:Politik/ Einstellungen, Bewertungen & Ideologien
Konstrukt:Einstellung zu demokratischen Rechten
Ja
h) ... dass Bürger das Recht haben, nicht zur Wahl zu gehen.