Befund zur Multi-Item-Skala:Systematisch getestet wurden die Items 2 und 3. Zu Item 1 liegen nur spontane Reaktionen der Testpersonen vor.
Nehmen die Testpersonen Item 2 und Item 3 als gleich oder unterschiedlich wahr?
Jeweils die Hälfte der Testpersonen gab bei Item 2 und 3 die gleiche Antwort (SY04, SY05, SY06, IR02, IR03, DA02, DA04, DA05, DA06) bzw. unterschiedliche Antworten (SY01, SY02, SY03, IR01, IR04, IR05, IR06, DA01, DA03). Hierbei gab es keine systematischen Unterschiede zwischen den Herkunftsländern oder Sprachversionen. Unabhängig von der Gleichheit bzw. Unterschiedlichkeit der gegebenen Antworten sowie von den Herkunftsländern und Sprachversionen, gab die große Mehrheit der Testpersonen (n = 16) an, einen Unterschied zwischen beiden Items zu sehen.
In der Hauptsache wurde der Unterschied darin gesehen, dass Item 2 danach frage, ob man von anderen ignoriert wird (SY02, SY03, SY05, IR02, IR03, DA01, DA03, DA04, DA05), während Item 3 danach frage, ob man sich von anderen selbst isoliert (SY03, IR02, IR03, DA01, DA03, DA04, DA05). Das Entscheidende ist hierbei, dass „außen vor zu sein“ als etwas verstanden wurde, was von anderen ausgeht, also andere einem antun, „sozial isoliert zu sein“ hingegen als eigenes Handeln. Darüber hinaus sah Testperson DA04 in Item 3 die automatische Folge von Item 2, dass man sich, wenn man das Gefühl habe, nicht beachtet zu werden, automatisch isoliert fühle und sich deswegen zurückziehe. Zwei Testpersonen (SY02, SY05) sahen den Unterschied hingegen darin, dass es bei Item 2 darum gehe, von anderen allgemein ignoriert, also nicht beachtet zu werden, wohingegen es bei Item 3 um das aktive Isolieren, also das aktive Zeigen mit Blicken oder Worten, nicht erwünscht zu sein, gehe. Beides gehe also von anderen aus.
Bei den zwei Testpersonen, die angaben, beide Items als gleich wahrzunehmen (IR05, DA02), stellte sich bei näherem Nachfragen heraus, dass sie doch einen Unterschied zwischen beiden sahen. IR05 hatte bei den Items unterschiedliche Angaben gemacht („selten“ vs. „sehr selten“) und gab an, dass Item 3 mehr Nachdruck als Item 2 habe (isoliert [Item 3] vs. ignoriert [Item 2] zu sein). DA02 hatte bei beiden Items dieselbe Antwort gegeben („oft“) und gab an, eine Verbindung des einen Items mit dem anderen und doch einen Unterschied zu sehen, den sie jedoch nicht näher erklären konnte.
Bei einem Interview mit einer arabischsprachigen Testperson merkte der Dolmetscher an, dass „außen vor zu sein“ in der Übersetzung ein Problem darstelle, da nicht ganz deutlich werde, worauf es sich beziehe. Es solle besser mit „ignoriert zu werden“ übersetzt werden, da diese Formulierung immer darauf bezogen sei, dass es von anderen ausgehe. „Sozial isoliert zu sein“ werde hingegen im arabischen Kontext immer auf sich selbst bezogen und so verstanden, dass man sich selbst isoliere bzw. menschenscheu sei. Diese Formulierung bedeute im Arabischen dementsprechend nicht, dass andere einen sozial isolieren. Da sich dasselbe auch bei den darisprachigen Testpersonen zeigte, scheint hier ein Problem vorzuliegen, das noch einmal geprüft werden sollte.
Weitere Befunde
Bei Item 1 gaben drei Testpersonen an, nicht richtig zu verstehen, was mit der Frage gemeint sei (SY03, DA01, DA05). Eine Testperson, die fließend deutsch sprach, äußerte sich, als ihr die deutsche Übersetzung gezeigt wurde, dass diese nichts mit der Version in Dari zu tun habe und letztgenannte komisch formuliert sei. Sie wisse nicht, ob es um das Unwohlsein gehe, wenn man in einer Gruppe von Leuten ist, oder darum, dass man von etwas zu wenig hat, was die anderen haben, z. B. bei einem Gesprächsthema, wenn man darüber nicht so viel weiß wie die anderen und man dann nicht so viel mitreden kann.
Drei Testpersonen hätten sich zudem die Antwortkategorie „nie“ gewünscht (SY05, DA04, DA05).
Empfehlungen zur Multi-Item-Skala:Einleitung: Belassen.
Item 1: Wir empfehlen, insbesondere bei der darisprachigen Formulierung noch einmal Übersetzungsexperten zu Rate zu ziehen, um sicherzustellen, dass die Übersetzung der deutschen Vorlage entspricht.
Antwortformat: Wir empfehlen, als zusätzliche Antwortkategorie „nie“ hinzuzufügen.
Befund zum Item:Was verstehen die Testpersonen unter „außen vor zu sein“?
Mit einer Ausnahme verstanden alle Testpersonen unter „außen vor zu sein“ ausgeschlossen und ignoriert zu werden. Dabei gab es weder länderspezifische noch sprachbezogene Unterschiede. Über die beiden Ausdrücke „ausgeschlossen zu werden“ und „ignoriert zu werden“ hinaus wurden Bezeichnungen, wie von anderen nicht wahrgenommen zu werden (SY01, SY02), von anderen Desinteresse zu spüren zu bekommen (SY06, IR02), keine Beachtung geschenkt zu bekommen (DA01), sich isoliert und allein gelassen zu fühlen (DA03), nicht ernstgenommen zu werden (DA04), nicht erwünscht zu sein (DA05) und von anderen distanziert zu werden (DA05) genannt. Eine Testperson erwähnte zudem, dass sie darunter auch verstünde, wenn man einen Abschluss habe und gebildet sei, aber keine Arbeit finde oder nicht arbeiten könne (SY02).
Nur Testperson IR06 verstand unter „außen vor zu sein“ die andere Perspektive, also sich zurückzuziehen, sich anderen gegenüber auszuschließen und zu isolieren. Diese Testperson sagte jedoch kurz zuvor, dass es selten vorkomme, dass beispielweise eine Freundin auf der Straße so tue, als ob sie sie nicht sehe, und wählte daraufhin die Antwortkategorie „selten“ aus. Ferner gab sie an, zwischen Item 2 und 3 einen Unterschied zu sehen, den sie jedoch nicht näher erklären konnte, und machte bei Item 2 und 3 unterschiedliche Angaben („selten“ vs. „manchmal“). Deshalb schien das Verständnisproblem geringfügig zu sein bzw. ggf. auf ein Verständnisproblem der Probingfrage und nicht des Items an sich zurückzuführen zu sein.
Thema der Frage:Individuum & Persönlichkeit/ Stimmung & Emotionen
Empfehlungen:Das übersetzte Item wird so verstanden, dass sich der/die Befragte aktiv zurückzieht. Wir empfehlen zu überprüfen, ob es Übersetzungen ins Arabische und Dari gibt, die stärker so zu verstehen sind, dass (auch) die äußeren Umstände ein Gefühl der Isolation hervorrufen.
Befund zum Item:Was verstehen die Testpersonen unter „sozial isoliert zu sein“?
Bei den Antworten der Testpersonen auf die Nachfrage, was sie unter „sozial isoliert zu sein“ ver-stünden, fielen direkt zwei Dinge auf. Während zum einen, mit einer Ausnahme, all diejenigen, die dieses Item mit „sehr selten“ oder „selten“ beantwortet hatten, angaben, was sie unter dem Gegenteil, also unter „sozial nicht isoliert zu sein“ verstehen, erklärten diejenigen, die eine der anderen Antwortkategorien ausgewählt oder keine Angabe gemacht hatten, die gefragte soziale Isolierung. Dies war zum anderen jedoch nur bei den arabischsprachigen Testpersonen der Fall. Die darisprachigen gaben ausnahmslos an, was sie unter „sozial isoliert zu sein“ verstanden, unabhängig von der ausgewählten Antwortkategorie.
Unter sozialer Isolierung verstanden die arabischsprachigen Testpersonen den fehlenden oder wenige Kontakt zu Mitmenschen, sei es zur Familie, zu Freunden, Bekannten etc. (SY02, SY05, IR01), sich einsam zu fühlen (SY02, IR04), sich gesellschaftlich zurückzuziehen (SY01, IR06) und allein sein zu wollen (IR06). Darüber hinaus wurden auch die mangelnde Fähigkeit, mit anderen interagieren zu können oder Beziehungen zu anderen aufbauen zu können (SY01, IR04, IR06) sowie das Gefühl, zwischen der arabischen und der deutschen Kultur zu stehen und weder Anschluss zum arabischen noch zum deutschen Kulturkreis zu finden (IR02), angesprochen. Beim Gegenteiligen („sozial nicht isoliert zu sein“) gaben die arabischsprachigen Testpersonen Geselligkeit (SY04, SY06, IR03), Kontakte zu anderen Menschen, sei es zur Familie, zu Freunden, Bekannten, zu haben und zu pflegen (SY03, IR05) sowie neue Menschen kennenzulernen (SY06, IR03) an.
Ein weiterer Unterschied inhaltlicher Natur war zwischen beiden Sprachversionen zu verzeichnen. Während der Schwerpunkt der arabischsprachigen Testpersonen auf der reinen Tatsache des (fehlenden) Kontakts zu Mitmenschen lag, lag er bei den Antworten der darisprachigen Testpersonen auf der emotionalen Ebene und auf dem eigenen aktiven Verhalten. Unter sozialer Isolierung verstanden die Testpersonen aus Afghanistan demnach, sich gesellschaftlich zurückzuziehen (DA04, DA05), sich zu distanzieren (DA03), sich mit anderen nicht auszutauschen (DA05), keinen Kontakt mit unbekannten Menschen aufzunehmen (DA02), eine Schutzwand aufzubauen (DA01), zu keinem sozialen Umfeld zu gehören/nicht dazuzugehören (DA04, DA05), nicht beachtet zu werden (DA04) und sich von der Gesellschaft allein gelassen zu fühlen (DA06). Testperson DA02 gab außerdem an, darunter die Gegebenheit zu verstehen, sich viele Dinge nicht ermöglichen zu können, wenn man nicht genug Geld hat.
Die genannten Unterschiede führten jedoch zu keinem „falschen“ Verständnis der Bezeichnung “sozial isoliert zu sein“.
Thema der Frage:Individuum & Persönlichkeit/ Stimmung & Emotionen