1. Haben die Interviewer Schwierigkeiten, die Antworten der Testpersonen zu notieren?
Die Testleiter hatten in zwei Fällen (TP 04, 08) Schwierigkeiten, die Antworten der Testpersonen zu notieren. Beide Testpersonen gaben zunächst an, bei welchen Tätigkeiten in Liste 3 sie bereits Schwierigkeiten haben, ohne eine Wahrscheinlichkeit für zukünftige Einschränkungen anzugeben. Dies ist zwar im Sinne der Frageintention korrekt und die Interviewer notierten auch entsprechend für beide Testpersonen die Antwort „Ich habe bereits eine oder mehrere dieser Einschränkungen“, für die Testleiter war aber nicht klar ersichtlich, ob die Testpersonen die Frage richtig verstanden hatten. Daher baten sie die Testpersonen, darüber hinaus noch die Wahrscheinlichkeit anzugeben, dass sie Einschränkungen in den anderen der aufgelisteten Tätigkeiten entwickeln, und notierten im Anschluss als zusätzliche Antwort die genannten Prozentwerte:
- TP 04: Wenn ich älter bin als jetzt, meinen Sie? Oder jetzt in meinem Alter? Sie meinen später als jetzt? […] Also, ich habe eigentlich nur Schwierigkeiten beim Baden. Ich habe letztens bemerkt, dass ich nicht mehr so gut aus der Badewanne herauskomme. Vielleicht hängt das aber auch mit dem Gewicht zusammen. Ich war ja früher schlank, aber mit den Jahren habe ich auch zugenommen. Das ist aber das Einzige. Ich bade nicht mehr, weil ich Angst habe, nicht mehr aus der Badewanne zu kommen. Mit den anderen Sachen habe ich keine Probleme.
- TL: Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass Sie …
- TP 04: Später […], also wenn ich älter werde, vielleicht nur das mit dem Baden. Und sonst vielleicht auch später das mit der Karte [Benutzen einer Karte, um sich in einer fremden Umgebung zurechtzufinden]. Dass man vielleicht etwas Schwierigkeiten hat in einer fremden Umgebung. Mit Einkaufen habe ich keine Probleme: Ich gehe aus dem Haus und da ist nebenan der Bäcker und direkt gegenüber der Supermarkt.
- TL: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit zwischen 0 und 100, dass Sie eines Tages Einschränkungen bei einer oder mehrere dieser Tätigkeiten entwickeln? Sie haben ja bereits erwähnt, dass Sie eine dieser Einschränkungen schon haben. Aber wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit im Alterungsprozess …
- TP 04: In Prozent? Sagen wir mal 20 bis 30 %.
- TP 08: Soll ich jetzt die Dinge sagen, wo …
- TL: Erst einmal nur durchlesen, damit Sie sich einen Überblick verschaffen können.
- TP 08: Also, mit den „Arbeiten an Haus und Garten“ wird es immer schwieriger, weil ich für so anstrengende körperliche Tätigkeiten nicht mehr fit genug bin. Wäsche waschen würde ich sicherlich noch hinkriegen, aber das macht meine Frau. Also, eigentlich nur diese Arbeiten an Haus und Garten.
- TL: Und wenn Sie eine Wahrscheinlichkeit angeben müssten, dass Sie Einschränkungen bei einer oder mehrerer dieser Tätigkeiten entwickeln?
- TP 08: Über dieses „Arbeiten an Haus und Garten“ hinaus?
- TL: Ja, also, ganz generell in der Zukunft, im Alterungsprozess.
- TP 08: Gut, man weiß nie, was kommt. Aber vielleicht 20 % bis 30 %.
Um solche Missverständnisse (zwischen Interviewer und Befragten) zu vermeiden, sollte zunächst abgefragt werden, ob die Testpersonen bereits Einschränkungen bei einer oder mehrerer dieser Tätigkeiten haben. Nur falls sie diese Frage verneinen, sollten sie im Anschluss nach der Wahrscheinlichkeit gefragt werden, mit der sie eine oder mehrere dieser Einschränkungen entwickeln.
2. Ist den Testpersonen klar, dass sie eine allgemeine Einschätzung über alle Tätigkeiten hinweg angeben sollen, oder geben sie unterschiedliche Antworten für die einzelnen Tätigkeiten?
Keine der Testpersonen gab unterschiedliche Antworten für die einzelnen Tätigkeiten. Testperson 01 äußerte lediglich den Wunsch danach, differenzierter antworten zu können, hatte aber keine Schwierigkeiten damit, ein allgemeines Urteil über alle genannten Tätigkeiten hinweg zu fällen:
„Ich würde das lieber etwas detaillierter beantworten wollen. Ich tendiere zu ‚unter 20‘, allerdings habe ich keinen guten Orientierungssinn. Ich glaube, da wäre die Wahrscheinlichkeit höher. Ich hoffe, dass ich im Alter noch so gesund und klar bin, dass ich das alleine schaffe. Bleiben wir bei ‚unter 20 %‘.“
3. Ist der Fragetext zu lang?
Zwei Testpersonen (TP 01, 09) kommentierten die Länge der Frage bzw. die Fülle an Informationen, die verarbeitet werden muss:
- „Die Frage ist für manche Leute bestimmt schwierig zu beantworten. Zum einen war das viel Text, dem man folgen musste. Dann musste man den Fokus auf die Schaubilder richten, da hat man den ersten Teil schon wieder vergessen. Ich weiß jetzt nicht mehr, wie viele Frauen von 100 das nicht schaffen.“ (TP 01)
- „[Die Beantwortung war] eher schwer. Man muss aufpassen, dass man nicht durcheinander kommt. Auch mit diesen Schaubildern.“ (TP 09)
In den kognitiven Interviews hatte die Länge der Frage keinen eindeutigen negativen Einfluss auf den Antwortprozess der Testpersonen. Allerdings vermittelten die Interviews den Eindruck, dass sowohl die Schaubilder als auch der Hinweis darauf, ohne Rundung oder Näherung zu antworten, von den meisten Testpersonen ignoriert wurden. Dies kann unter anderem daran liegen, dass der Fragetext zu lang ist und die Befragten folglich nur diejenigen Informationen berücksichtigen, die sie für zentral erachten und im Gedächtnis behalten können.
4. Sind die Schaubilder verständlich?
Nur zwei der zehn Testpersonen (TP 05, 09) bezogen die Schaubilder in ihre Antwort mit ein. Testperson 05 empfand diese allerdings eher als störend denn hilfreich:
- „Man fixiert sich da schon stark darauf. Ohne die wäre es, glaube ich, einfacher gewesen. Weil man dann eben die Bilder vor Augen hat und denkt, ‚Hm …, ja ...‘. Da ist man wieder etwas abgelenkt und ich fände es einfacher, wenn Sie mir die Frage ohne die gestellt hätten.“ (TP 05)
- „Wenn ich mir das Diagramm anschaue, wie viele Prozent das sind. Deshalb habe ich einen etwas geringeren Wert gewählt. Aber das ist natürlich nur eine Schätzung. Berechnen kann man das ja nicht.“ (TP 09)
Die restlichen acht Testpersonen beantworteten die Frage unabhängig von den Schaubildern. Vier dieser Testpersonen kommentierten bzw. kritisierten die Diagramme. Testperson 01 empfand die Schaubilder als unnötig, Testperson 02 bezweifelte die Korrektheit der dargestellten Verteilungen, Testperson 07 kritisierte die Farbgebung und Testperson 10 empfahl, die Prozentzahlen der Verteilungen in die Schaubilder mit aufzunehmen:
- „Nein, [die hatten] gar keinen [Einfluss auf meine Bewertung]. Die hätte man weglassen können.“ (TP 01)
- „Im Ernst, also, ich glaube das nicht. Die Diagramme hier. Männer und Altern, da haben welche nicht ehrlich geantwortet. Die Erfahrung ist doch ganz anders. Die Erfahrung ist die, dass die Männer viel stärker und schneller ‚degenerieren‘ als Frauen. Entweder waren die Frauen ehrlicher und geben es eher zu oder, glaube ich, die Männer geben das nicht zu. Ich hätte gerne die Interviews der Männer gesehen, ich kann mir das nicht vorstellen. Ich denke, dass Männer so etwas mit Sicherheit nicht gerne zugeben. Vor allem, wenn es losgeht mit Nummer 1 [der ersten Tätigkeit auf der Liste: ‚Sich anziehen, einschließlich Socken und Schuhe‘]. Da haben die Frauen ehrlichere Antworten gegeben.“ (TP 02)
- „Die Farben finde ich schlecht gewählt.“ (TP 07)
- „Man hätte die Prozentzahlen vielleicht noch einfügen können.“ (TP 10)
5. Haben die Testpersonen Probleme die Frage zu verstehen und/oder zu beantworten?
Neben den oben bereits dargestellten Problemen (zu langer Fragetext, Nichtbeachten, Nichtverstehen oder Kritisieren der Schaubilder) deuteten die Antworten der drei Testpersonen, welche die Extremwerte 0 % und 100 % nannten (TP 06, 07, 10), darauf hin, dass sie die Frage nicht im intendierten Sinne verstanden haben.
Die beiden Testpersonen, die eine Wahrscheinlichkeit von 100 % angaben (TP 06, 07), begründeten ihre Antworten damit, dass jeder ab einem gewissen Alter mit Einschränkungen in einer oder mehreren dieser Tätigkeiten rechnen müsse. Testperson 06 hinterfragte daher die Sinnhaftigkeit der Frage und bezeichnete sie als „Nonsens“:
- „Ich habe meine Mutter 8 Jahre lang gepflegt. Ich kenne den Weg, den man geht. Diese Beschwerden kommen mehr oder weniger alle irgendwann. Das muss man ganz klar so sagen. […] Die Frage ist für mich Nonsens, tut mir Leid. Da müsste man eher so etwas fragen wie: ‚Stellen Sie sich vor, Sie sind 60 Jahre alt, 70 Jahre alt, 80 Jahre alt. Was könnte auf Sie zutreffen?‘ Vor allem auch der Zusammenhang zwischen der Liste und den Diagrammen ergibt dann [beim Zeitraum ‚eines Tages‘] ja keinen Sinn.“ (TP 06)
- „Natürlich hat man mit zunehmendem Alter körperliche und geistige Einschränkungen. Man hofft natürlich, dass das immer erst später kommt. Aber mit 75 Jahren ist die eine oder andere Einschränkung auf alle Fälle da.“ (TP 07)
Testperson 10 äußerte eher einen Wunsch als die subjektive Wahrscheinlichkeit, mit der sie eines Tages mit Einschränkungen zu rechnen habe: „Das geht gegen 0. Das ist zwar sehr optimistisch, aber man darf sich das ja wünschen. […] Ich hoffe, ich werde 100 Jahre alt und falle dann tot um, körperlich noch unversehrt. Das ist das Wunschdenken. Aber natürlich kann einen eines dieser Dinge täglich erwischen, ganz unabhängig vom Alter. Manche bekommen mit 35 einen Schlaganfall und sind anschließend gehandicapped.“
Testperson 03 kritisiert die Frage als zu hypothetisch:
„Also, ich soll jetzt beantworten, was in ein paar Jahren ist? Das ist aber eine komische Frage. Ich kann ja jetzt hier rausgehen und tot umfallen. Ich hoffe, dass ich das noch viele Jahre kann. Aber wer weiß? […] Ich werde jetzt bald 76 und denke, altersmäßig kommt das irgendwann auf mich zu. Aber was kommt und wann und wie, weiß ich ja nicht, das kann man ja nicht voraussagen.“ Der von ihr genannte Wert (50 %) scheint daher eine Schätzung zwischen 0 % und 100 % zu sein („fifty-fifty“).
Testperson 05 interpretierte die Frage zunächst dahingehend, dass sie angeben solle, bei welcher der Tätigkeiten auf der Liste sie im Alter Einschränkungen erwarte. Erst nach mehrmaligem Nachhaken der Testleiterin nannte sie eine Wahrscheinlichkeit:
„Wenn ich jetzt von mir ausgehe, wenn ich irgendwann in dem Alter bin, denke ich, das Einkaufen, weil vielleicht das Laufen schwerfallen könnte, wenn ich an mich denke.“ [Die Testleiterin weist darauf hin, dass ein allgemeines Urteil über alle Tätigkeiten abgegeben werden soll.] „Im höheren Alter, wenn ich da [auf dem Schaubild] die Altersangaben sehe, würde ich schon sagen zwischen 65 und 70 %. Wenn ich von mir ausgehe, würde ich sagen 65 % auf jeden Fall. […] Das ist bei mir, weil ich sowieso mit den Füßen zu tun habe und da ein bisschen eingeschränkt bin und es nicht besser wird, eher schlimmer. Ich denke, dass es in dem Alter ungefähr der Prozentsatz sein könnte, wo ich nicht mehr richtig beweglich bin.“