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Projektname:ESS9 – Gerechtigkeit und Fairness
  1. Einleitungstext: Stellen Sie sich vor, Sie suchen gerade eine Arbeitsstelle. Inwieweit trifft Ihrer Meinung nach diese Aussage auf Sie zu?
  2. Fragetext: Verglichen mit anderen Menschen in Deutschland, hätte ich eine faire/gerechte Chance, die von mir angestrebte Stelle zu bekommen.
  3. Antwortkategorien 0 Trifft überhaupt nicht zu

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    10 Trifft voll und ganz zu

    Antwort verweigert

    Weiß nicht


    1. Empfehlungen: Frage: Die Entscheidung für eine der beiden Formulierungen (fair vs. gerecht), sollte in Abhängigkeit von der Fragenintention (also der Zielsetzung der Items) getroffen werden. Liegt der Fokus der Fragen auf der Wahrnehmung von strukturellen Gegebenheiten, so empfehlen wir die Verwendung des Begriffs „gerecht“. Liegt der Fokus dagegen eher auf der Wahrnehmung von individuellen Möglichkeiten, so empfehlen wir die Verwendung des Begriffs „fair“.
      Im ESS9 in Deutschland wurde letztendlich die Formulierung „fair“ gewählt. Begründet wurde dies damit, dass die betreffenden Fragen die Notwendigkeit eines gewissen Eigenengagements widerspiegeln sollen, was laut der Einschätzungen aus dem Pretest bei der Formulierung mit ‚fair‘ eher gewährleistet. Zum anderen spricht ein besseres Frageverständnis für die Auswahl.
      Frage 3 ist für Personen, die nicht mehr aktiv auf dem Arbeitsmarkt sind, nicht eindeutig zu beantworten (siehe Kommentar von Testperson 07). Diese Frage sollte daher jenen Personen nicht gestellt werden bzw. dies sollte in der Analyse berücksichtigt werden.

      Antwortoptionen: Belassen.
  1. Eingesetzte kognitive Technik/en:Information Bild/Link zu Kognitives Pretesting Specific Probing, Emergent Probing.
  2. Befund zur Frage: Nachdem die Testpersonen die Fragen jeweils in einer Version (fair vs. gerecht) beantwortet hatten, wurden ihnen alle Fragen noch einmal im Vergleich mit der alternativen Formulierung vorgelegt, wobei sie angeben sollten, ob sie die Frage jeweils anders beantworten würden.
    Von den insgesamt zehn Testpersonen geben sechs an, dass sie die Fragen nicht anders beantworten würden, wenn nicht von einer „fairen“, sondern von einer „gerechten Chance“ (n=4) oder umgekehrt von einer „gerechten“ und nicht von einer „fairen Chance“ gesprochen würde (n=2). Für diese Personen hat die Formulierung keinen Einfluss auf die Beantwortung der Fragen. Die übrigen vier Testpersonen geben an, dass sie einige der Fragen anders beantwortet hätten:
    • Testperson 07 (Version A: fair) gibt an, dass sie die Chancen generell schlechter bewertet hätte, wenn die Formulierung „gerechte Chance“ gelautet hätte, da sie der Meinung ist, dass „wir hier nicht unbedingt Gerechtigkeit haben“.
    • Auch Testperson 09 (Version A: fair) würde bei jeder Frage einen Skalenwert niedriger auswählen, wenn in den Fragen von einer „gerechten Chance“ statt von einer „fairen Chance“ die Rede wäre. Diesen Unterschied erklärt die Testpersonen damit, dass Gerechtigkeit eher strukturell gegeben ist, während man zu der Art, wie fair etwas ist, selbst einen Beitrag leisten kann: „Bei fair denke ich automatisch daran, dass man auch selbst etwas beitragen soll. Es ist fair, sportlich, also muss ich selbst auch Anstrengungen leisten, um das dann zu nutzen. Gerecht ist schon so eine strenge Vorgabe.“
    • Testperson 01 (Version A: fair) würde die Aussagen ebenfalls anders beantworten, da sie die Interpretation der Aussagen mit der Formulierung „gerecht“ schwieriger findet: „Bei gerecht finde ich schwierig, dass man nicht weiß, was eigentlich gerecht ist. Also jeder hat eine eigene Meinung dazu. Fair finde ich einfacher, interpretationsmäßig.“ Im Gegensatz zu den Testpersonen 07 und 09 würde sie allerdings positivere Werte wählen.
    Anhand der Antworten auf die Nachfrage, worin für diese vier Personen der Unterschied zwischen „fair“ und „gerecht“ besteht, zeigt sich, dass „Fairness“ weniger starr und strukturell vorgegeben wahrgenommen wird, während „Gerechtigkeit“ als weniger durch individuelle Leistung definiert, verstanden wird:
    • „Gerecht ist so ein starkes Wort, Gerechtigkeit. Ich finde nicht, dass wir sehr viel Gerechtigkeit in Deutschland haben. Aber fair ist Fairness, so ‚Ich drück mal ein Auge zu‘.“ (TP 01)
    • „Gerecht wäre ja, dass jeder unabhängig von seinem Aussehen etc. die gleiche Chance hat und das haben wir nicht. Also die Gerechtigkeit gibt es nicht, meiner Ansicht nach. Fair ist was anderes. Fair ist großzügiger. Bei gerecht ist der Begriff viel enger gefasst. Fair hat mehr Spielraum.“ (TP 07)
    • „Bei fair ist für mich wirklich drin enthalten, dass ich selbst auch etwas dazu beitragen muss und auch kann. Einerseits biete ich den Menschen die Chance, aber sie müssen sie auch wirklich aktiv nutzen. Während wenn die Chance von vorne rein schon ungerecht wäre, also wenn die Gerechtigkeit überhaupt nicht gegeben ist, dann habe ich selbst auch durch noch so viele Anstrengungen kaum eine Chance. Also gerecht ist streng, so von oben.“ (TP 09)
    • „Fair ist deutlich ungenauer. Gerecht definiere ich als vom System geregelt und fair ist für mich stärker beeinflusst von den einzelnen Elementen eines Systems. Gerecht ist für mich ein Begriff, der systematisch gesehen über fair steht.“ (TP 10)
    Spontane Anmerkungen der Testpersonen zu Frage 3:
    • Testperson 07 ist nicht mehr berufstätig und beantwortet diese Frage daher mit „nicht mehr“ und einem Skalenwert von 2.
    • Testperson 06 fällt die Beantwortung der Frage schwer, da dies ihrer Meinung nach stark davon abhängt, was die anderen Personen für einen Abschluss haben, d.h. welche Vergleichsbasis man heranzieht.
  1. Thema der Frage: Gesellschaft & Soziales/ Soziale Gerechtigkeit
  2. Konstrukt: Chancengleichheit bezüglich Zugang zum Arbeitsmarkt