Informationen zur Frage und Ziel der Testung:
Frage 4 erfasst die Einstellung der Befragten dazu, ob Deutschland durch Zuwanderung zu einem besseren oder schlechteren Ort zum Leben wird. Wie bei den beiden vorherigen Fragen unterschieden sich die drei Frageversionen darin, ob im Fragetext die Begriffe „Menschen” (Version 1), „Zuwanderer“ (Version 2) oder „Zuwandernde“ (Version 3) verwendet wurden. Die Befragten erhielten dieselbe Frageversion wie bei den Fragen 1 und 2.
Im Rahmen des kognitiven Online-Pretests sollte ermittelt werden, ob die unterschiedlichen Frageversionen einen systematischen Einfluss auf die Beantwortung der Frage haben und ob die Befragten mit den drei Begriffen dieselben oder unterschiedliche Personengruppen assoziieren.
Befund:
Alle Testpersonen beantworteten Frage 4 und nutzten dazu in jeder der drei Bedingungen die gesamte Breite der Antwortskala (s. Tabelle 5). Der mittlere Skalenwert „5“ war in allen drei Bedingungen der am häufigsten ausgewählte Skalenwert. Wie bei den beiden vorherigen Fragen, standen Befragte, die Version 1 der Frage erhalten hatten, Zuwanderung positiver gegenüber (M = 4.98, SD = 2.73, n = 169) als Personen, die Version 2 (M = 4.45, SD = 2.73, n = 153) oder Version 3 (M = 4.31, SD = 2.73, n = 158) erhalten hatten. Die Unterschiede in den Antwortverteilungen waren marginal signifikant F(2,477) = 2.723, p = .067), wobei die Effektstärke mit f = 0.11 einem schwachen Effekt nach Cohen (1988) entspricht. Die Itemvarianzen unterschieden sich nicht zwischen den drei Gruppen (Version 1: 7.428, Version 2: 7.433, Version 3: 7.476).
Die Frageversion hatte einen signifikanten Einfluss auf die Antwortzeit: Testpersonen, die Version 1 erhalten hatten, benötigten länger zur Beantwortung der Frage (M = 11.29, SD = 3.98, n = 137) als Personen, die Version 2 (M = 9.96, SD = 3.36, n = 134) oder Version 3 (M = 9.97, SD = 3.63, n = 144) erhalten hatten. Eine ANOVA mit Bonferroni-korrigierten Post-hoc-Tests zeigte, dass die Unterschiede zwischen Version 1 und den beiden anderen Versionen jeweils statistisch signifikant waren (Welchs F(2, 273.34 = 5.52, p = .004). Eine mögliche Erklärung für dieses Ergebnis ist, dass Frageversion 1 aufgrund der höheren Wortanzahl und komplexeren syntaktischen Struktur schwerer zu verstehen ist als die Frageversionen 2 und 3.
Die Antworten der Testpersonen auf Frage 4 korrelierten signifikant mit der Selbsteinstufung der Befragten auf der Links-Rechts-Skala (Frage 1): Je rechter sich die Befragten einstuften, desto eher gaben sie an, dass Deutschland durch Zuwanderung zu einem schlechteren Ort zum Leben wird
(r = -.406, p < .001, n = 480). Dieser Zusammenhang war am stärksten in Version 1 (r = -.494, p < .001, n = 169), gefolgt von Version 3 (r = -.460, p < .001, n = 158) und Version 2 (r = -.262, p = .001, n = 153).
Des Weiteren wurde die Qualität der drei Frageversionen auf Basis ihrer formalen Charakteristiken mit Hilfe des Survey Quality Predictor (SQP) geschätzt. Wie bei den beiden vorherigen Fragen unterschieden sich die Qualitätsschätzungen nicht zwischen den Frageversionen (Version 1 = 0.574, Version 2 = 0.575, Version 3 = 0.575).
Welche Personen assoziieren die Befragten mit den Begriffen „Menschen aus anderen Ländern“, „Zuwanderer“ und „Zuwandernde“?
Nach der Beantwortung von Frage 4 erhielten die Befragten eine Nachfrage dazu, an welche Personen sie beim Beantworten der Frage gedacht hatten (s. Anhang). Betrachtet man alle auswertbaren Antworten über die drei Frageversionen hinweg, so wurden am häufigsten (1) Migranten im Allgemeinen (23,5 %), (2) Flüchtlinge/Asylsuchende (22,7 %) und (3) Arbeitsmigranten (18,2 %) genannt. Die Antworten derjenigen Testpersonen, die Flüchtlinge/Asylsuchende nannten, hatten dabei meistens einen negativen oder neutralen Ton, die Antworten derer, die an Arbeitsmigranten gedacht hatten, ausschließlich einen positiven oder neutralen Ton.
- „Menschen aller Nationalitäten. Ich würde keine Unterschiede nach den Ländern machen.“ (TP975, Analyse-Code: Migranten im Allgemeinen)
- „Alle Menschen, die keinen deutschen Pass besitzen und dauerhaft in Deutschland leben wollen.“ (TP1173, Analyse-Code: Migranten im Allgemeinen)
- „[Ich habe] an die Flüchtlinge aus den verschiedenen Ländern [gedacht], die sich hier nicht anpassen wollen oder kriminell werden.“ (TP785, Analyse-Code: Flüchtlinge/Asylsuchende)
- „Personen, die Asyl suchen, die geflüchtet sind, die dauerhaft in Deutschland leben wollen.“ (TP1077, Analyse-Code: Flüchtlinge/Asylsuchende)
- „Deutschland hat eine alternde Bevölkerung und einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften in vielen Bereichen - Gesundheitswesen, Technik, IT und Handwerk. Die Aufnahme von Zuwanderern hilft, kritische Lücken zu schließen und die Wirtschaft stark zu halten.“ (TP777, Analyse-Code: Arbeitsmigranten)
- „Menschen die wegen Arbeit und/oder Bildung nach Deutschland kommen.“ (TP1073, Analyse-Code: Arbeitsmigranten)
Die Analyse der Antworten auf die offene Nachfrage ergab darüber hinaus noch vier weitere Kategorien von Antworten, die zwar seltener als die oben genannten, aber doch mit einer gewissen Häufigkeit auftraten: (4) Spezifische Gruppen von Personen (9,7 %; Antworten waren ausschließlich neutral oder negativ formuliert), (5) Personen aus anderen Kulturen (8,9 %; Antworten waren zumeist negativ, gelegentlich aber auch positiv formuliert), Wirtschaftliche Gründe (7,7 %; ausschließlich negative oder neutrale Formulierungen) und Kriminalität/Unruhestiftung (7,7 %, ausschließlich negative Formulierungen).
- „Syrer, Ukrainer, arabisch-stämmige Menschen (Tunesien etc.), Osteuropäer (Rumänen etc.).“ (TP712, Analyse-Code: Spezifische Gruppen von Personen)
- „[Ich habe] an junge, männliche Afghanen, Syrer und Nafris [gedacht].“ (TP1182, Analyse-Code: Spezifische Gruppen von Personen)
- „Personen, die unsere Kultur und unsere Werte nicht annehmen wollen!“ (TP1019, Analyse-Code: Personen aus anderen Kulturen)
- „Wenn Menschen aus anderen Ländern hier leben, das bereichert Deutschland, und man lernt neue Kulturen kennen.“ (TP699, Analyse-Code: Personen aus anderen Kulturen)
- „Meist Menschen, die hierherkommen, um im Saus und Braus zu leben, hat sich ja gut rumgesprochen, um von unseren Steuergeldern zu leben.“ (TP762, Analyse-Code: Wirtschaftliche Gründe)
- „Zuwanderer bedeutet für mich, dass Leute nach Deutschland kommen, weil es ihnen finanziell hier besser geht.“ (TP962, Analyse -Code: Wirtschaftliche Gründe)
- „Kriminelle, Unruhestifter, Attentäter.“ (TP734, Analyse-Code: Kriminalität/Unruhestiftung)
- „Leider denkt man in erster Linie an Personen, über die in den Medien berichtet wird (Anschlag usw.).“ (TP1166, Analyse-Code: Kriminalität/Unruhestiftung)
Betrachtet man die Assoziationen der Testpersonen getrennt nach den Frageversionen, so zeigt sich, dass die Befragten bei Version 1 („Menschen“) häufiger spezifische Gruppen von Personen nannten (13,3 % vs. 8,6 % [V2] und 6,7 % [V3]) und auf kulturelle Unterschiede zwischen Zuwanderern und Deutschen eingingen (13,9 % vs. 4,9 % [V2] und 7,4 % [V3]) als dies in den anderen beiden Gruppen der Fall war. Der Begriff „Zuwanderer“ in Version 2 wurde dagegen häufiger mit wirtschaftlichen Gründen (10,4 % vs. 5,0 % [V1] und 8,0 % [V3]) und Migration im Allgemeinen (27,6 % vs. 19,4 % [V1] und 23,9 % [V3]) assoziiert. Befragte, die Version 3 der Frage („Zuwandernde“) erhalten hatten, gaben häufiger an, an Flüchtlinge/Asylsuchende gedacht zu haben (28,2 % vs. 20,0 % [V1] und 20,2 % [V2]). Außerdem war hier der Anteil derer, die Zuwanderung mit Kriminalität/Unruhestiftung assoziierten, am geringsten (4,9 % vs. 9,4 % [V1] und 8,6 % [V2]).
Eine Analyse der emotionalen Tonalität bzw. Sentimentausprägungen der Antworten auf die kognitive Nachfrage ergab, dass die Antworten von Testpersonen in Version 1 sowohl häufiger negativ (21,8 % vs. 17,9 % [V2] und 17,6 % [V3]) als auch häufiger positiv (10,9 % vs. 5,2 % [V2] und 4,4 % [V3]) formuliert waren als in den anderen beiden Gruppen. Insgesamt ergab die Sentimentanalyse allerdings keine statistisch signifikanten Unterschiede in der emotionalen Tonalität der Aussagen zwischen den drei Frageversionen (X²(4) = 7.213, p = .125).