Komplexität und intrinsische Motivation im Klimaschutz

Allgemeine Informationen:

Frage: Control Treatment 2 [inklusive Zeitdimension]

Einleitungstext:

Die Europäische Union (EU) möchte den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen (z. B. CO2) schnell und deutlich reduzieren und bis 2050 klimaneutral sein. Um den Ausstoß dieser Schadstoffe wirksam zu kontrollieren, müssen große Kraftwerke und Industrieanlagen für jede ausgestoßene Tonne Treibhausgas ein sogenanntes Emissionsrecht erwerben und abgeben. Die von der EU ausgegebene Menge dieser Emissionsrechte ist strikt begrenzt. Ein Emissionsrecht kostete Anfang Februar 2021 etwa 42 EUR (inkl. MwSt.) pro Tonne CO2. Durch Konsum, Stromverbrauch, Heizen und Mobilität verursacht jede/r Deutsche im Durchschnitt acht Tonnen CO2 pro Jahr.
Kauft man ein Emissionsrecht und legt es still, so steht es den Kraftwerken nicht mehr zur Verfügung. Die Kraftwerke können somit eine Tonne CO2 weniger ausstoßen. Man senkt damit wirksam die Gesamtemissionen in der EU und leistet einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz.
Um die spätere Frage nicht zu beeinflussen, sah das Untersuchungsdesign vor, dass die Testpersonen zunächst die Einleitungsseite lasen und ohne Nachfragen auf Seiten des Interviewers mit der ersten Version der Frage fortfahren konnten. Nach dem Lesen, Beantworten und Besprechen der beiden Frageversionen lasen die Testpersonen nochmals die Einleitungsseite und es wurden ihnen Nachfragen dazu gestellt.

Äußerten die Testpersonen Verständnisprobleme beim Lesen der Einleitung?

Es zeigten sich zwei Probleme beim Lesen des Einleitungstextes. Das erste Problem bestand darin, dass die Information aus dem letzten Absatz beim ersten Lesen nicht richtig verarbeitet wurde. Dadurch kam die Kernbotschaft, dass die Stilllegung eines Emissionsrechts bedeutet, dass dieses den Kraftwerken nicht mehr zur Verfügung steht und auf diese Weise ein aktiver Beitrag zum Um- weltschutz geleistet wird, beim Lesen des Einleitungstextes nicht an. Dieses Problem betraf vier der sechs Testpersonen:
  • Testperson 03 beschäftigte sich bereits beim ersten Lesen länger mit dem letzten Absatz. Sie gab an, diesen nicht ganz zu verstehen, äußerte aber auch, dass sich dies vielleicht durch die Fragen klären würde. Beim Beantworten der ersten Version der Frage kommentierte sie auch spontan, dass dem so gewesen sei. Als sie allerdings nach dem Lesen und Besprechen der beiden Frageversionen den Einleitungstext nochmals las, zeigte sie sich überrascht, dass Informationen, die ihr beim Beantworten der Fragen gefehlt hatten, im Einleitungstext enthalten gewesen waren. Sie fragte den Interviewer, ob es sich um denselben Text wie zu Beginn handele. Als dieser dies bejahte, antwortete sie: „Lustig, weil das jetzt irgendwie klarer ist. Es steht sogar im letzten Satz, dass man dann einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz leistet. Das ist mir so beim erstmaligen Lesen nicht so in Gedanken geblieben.“
  • Als Testperson 04 die Einleitungsseite nach dem Beantworten der Fragen nochmals durchlas, begriff sie erst die Bedeutung des letzten Absatzes und änderte ihre Antwort auf die zweite Version der Frage von „in einem Jahr stilllegen“ auf „jetzt stilllegen“: „Jetzt habe ich das erst richtig verstanden. Jetzt bin ich natürlich für eine sofortige Stilllegung. Damit habe ich ja direkten Zugriff auf die Umweltbelastung.“
  • Testperson 05 kommentierte beim ersten Lesen, dass sie „im Thema sei“ und den Text verstanden habe. Als sie allerdings auf der nächsten Seite den Fragetext las, klickte sie direkt zurück, las den letzten Absatz nochmals laut vor und kommentierte: „Wenn ich also ein [Emissionsrecht] aus dem Verkehr ziehe, hätte man eine Tonne weniger in der Atmosphäre. Darum geht es jetzt, alles klar.“
  • Auch Testperson 06 konnte sich beim wiederholten Lesen nicht an den letzten Absatz der Einleitung erinnern: „Ich meine, die [Einleitung] ist anders formuliert, [...] vor allem der letzte Teil. ‚Kauft man ein Emissionsrecht und legt es still, so steht es dem Kraftwerk nicht mehr zur Verfügung‘. Das stand vorhin nicht drin, glaube ich. Ich kann mich nicht daran erinnern. Wenn der Text dagestanden hätte, mit dem letzten Satz vor allem, dann wäre die erste Frage leich- ter zu beantworten gewesen.“
Die Ursache für das vermehrte Übersehen des letzten Absatzes könnte seine Ursache im zweiten Problem haben. Denn einigen Testpersonen blieb der Zusammenhang zwischen ihrer Rolle als Privatperson und dem Emissionsausstoß der Industrie unklar:
  • Dies zeigte sich beispielsweise bei Testperson 03 beim ersten Lesen des Einleitungstexts: „Die letzten zwei Sätze verstehe ich nicht ganz. Also, ich habe mir die Frage gestellt, ob das jetzt im Interesse eines Unternehmens ist, dieses Emissionsrecht zu kaufen oder ob das im Recht von jemand anderen ist.“ Beim wiederholten Lesen versuchte die Testperson, den Grund ihrer Verwirrung zu erklären und Verbesserungsvorschläge zu machen: „Ich denke, es würde mehr zum Verständnis beitragen, wenn man nicht schreiben würde, wie viel ein deutscher Haushalt an CO2 produziert, sondern ein Durchschnittsunternehmen oder halt ein Unternehmen, das bei dem Emissionsrecht in Frage kommt. Das würde mir im Verständnis sehr helfen. [...] Es verwirrt mich, dass da dieser Privathaushaltvergleich drinsteht. Ich habe eher an Unternehmen gedacht.“
  • „Ich weiß nicht, ob man Emissionsrecht als Privatperson kaufen kann. Das weiß ich nicht und durch den Text kommt es auch nicht raus.“ (TP 06)
Folglich zeigte sich eine Testperson, als sie die erste Frage las, verunsichert, ob sie tatsächlich über diesen Sachverhalt entscheiden könne und solle („Wenn ich jetzt in der Position wäre das zu entscheiden?“, TP 02).

Des Weiteren glaubte eine Testperson, dass der Einleitungstext von einer aktuellen Neuerung im Emissionsrecht handele, durch die Emissionsrechte erst kostenpflichtig würden:
  • „Emissionsrecht ist die Erlaubnis, CO2 in die Atmosphäre zu pusten. Das soll mit Kosten belegt werden. Diese Erlaubnis gibt es nicht mehr umsonst, wie bisher, sondern nur noch gegen einen finanziellen Obolus. Das hätte deutlich gemacht werden sollen.“ Dies wiederum hätte eine Verteuerung für den Endverbraucher als Wirkung, was der Einleitungstext aber unterschlage: „Es geht nicht nur darum, dass die Kraftwerke weniger ausstoßen, sondern die produzieren so viel Energie, wie auf dem Markt nachgefragt wird. Dieser Marktmechanismus des Energiemarktes müsste deutlich gemacht werden. [...] Der Adressat dieser Geschichte ist doch nicht in erster Linie die Kraftwerkindustrie, sondern es geht darum, dass der Endverbraucher mehr zahlen muss und dadurch weniger verbrauchen darf. Das muss klar sein.“ (TP 05)
Kennen die Testpersonen bereits im Vorfeld das Wort „Emissionsrecht“?

Vier Testpersonen gaben an, den Begriff Emissionsrecht bereits im Vorfeld des Interviews gekannt zu haben (TP 01, 03, 05, 06). Davon erklärten zwei Testperson, dass sie sowohl den Begriff Emissionsrecht als auch Emissionshandel erklären könnten (TP 01, 05). Allerdings gab einzig Testperson 01 problemlos eine Definition von Emissionsrechten bzw. Emissionshandel, die beide Begriffe korrekt definierte und in Verbindung miteinander setzte: „Man kann sich über Emissionshandel ‚freikaufen‘. Man kann zum Beispiel mehr Schadstoff ausstoßen oder von anderen Ländern Schadstoffe abkaufen. Lauter solche Geschichten, die ich eigentlich nicht toll finde. Einfach um selbst mehr Schadstoffe auszustoßen, kann man sich quasi freikaufen. Hier geht es um Emissionsrechte. Gut, im Grunde genommen ist es auch ein Handel. Wenn ich jetzt für 42 Euro eine Tonne CO2 kaufe, dann können die Industrie oder die Kraftwerkebetreiber das nicht ausstoßen.“
Die anderen Testpersonen gaben Erklärungen ab, die von einem teils richtigen, teils verkürzten oder sogar falschen Verständnis von Emissionsrechten bzw. Emissionshandel zeugten:
  • „Ich verstehe nicht, was die Kraftwerke und Industrieanlagen kaufen. Dann diese begrenzten Rechte, die es da gibt. Und was machen die dann? [...] Sie kaufen dann irgendwas, legen es still und dann kriegen sie Geld dafür?“ (TP 02)
  • „Das ist eine Initiative der Regierung für die Reduktion von CO2. Die [Regierung will] damit einschränken, wie viel Tonnen CO2 produziert werden dürfen. Man kann für einen bestimmten Beitrag dieses Emissionsrecht kaufen, als Unternehmen, und dann stilllegen, und damit schränkt man eben andere Unternehmen ein.“ (TP 03)
  • „Die Firmen kaufen das Emissionsrecht für 42 Euro pro Tonne. Ich verbrauche acht Tonnen, d. h., die müssen ca. 250 Euro allein für mich ausgeben, um die Emissionen ausstoßen zu dürfen. [...] Das Wort [Emissionshandel] selbst kommt nicht vor, aber im Grunde geht es schon darum, dass mit den Emissionsrechten gehandelt wird.“ (TP 04)
  • „Es geht letzten Endes [imText] um Emissionshandel. Das Emissionsrecht muss irgendwo erworben werden bzw. es muss dafür bezahlt werden. Bisher war es kostenfrei. Aber es steht nicht da, wer das Geld einkassiert, ob es der Staat in seine Steuerkasse [steckt] oder ob damit etwas bewirkt wird. Aber es ist ein Handel da; das Emissionsrecht wird verkauft.“ (TP 05)
  • „Das ist ein Handel, der der Umweltpolitik dient, um die ... Also, darunter verstehe ich den Ausstoß von Treibhausgasen und das Emissionsrecht ... Ich bin gerade ein bisschen überfor- dert. Das Emissionsrecht ist doch einfach die bestimmte Menge, die ausgestoßen wird, soweit mein Allgemeinwissen reicht. Ich weiß nicht, warum man das insgesamt stilllegen soll.“ (TP 06)
Keine Testperson gab an, dass der Einleitungstext ihnen unbekannte Worte enthielt.

Fragetext:

Sie haben jetzt die Gelegenheit ein Emissionsrecht, das zum Ausstoß einer Tonne CO2 berechtigt, stillzulegen. Die Kosten für die Beschaffung und Stilllegung des Emissionsrechts trägt der Auftraggeber der Studie. Sie können wählen, ob Sie das Emissionsrecht jetzt oder erst in einem Jahr stilllegen oder ob Sie stattdessen 5 EUR erhalten möchten.
Wie entscheiden Sie sich?

Antwortkategorien:

Das Emissionsrecht jetzt stilllegen
Das Emissionsrecht in einem Jahr stilllegen
5 EUR erhalten
weiß nicht/ keine Angabe

Empfehlungen:

Frage: Einige Testpersonen hatten beim Lesen des Fragetextes das Bedürfnis, die Erläuterungen nochmal zu lesen, aber nur eine Testperson ging dazu zurück auf die Einleitungsseite. Daher empfehlen wir, auf der Frageseite einen gut sichtbaren Informations-Button einzubauen, mit dem man die Erläuterungen einblenden kann.

Zudem empfehlen wir, den Fragetext so zu formulieren, dass sowohl die Wahl, vor welche die Befragten gestellt werden, deutlich wird, als auch die Bedeutung der einzelnen Antwortmöglichkeiten. Dies könnte bspw. so geschehen:

„Wir bieten Ihnen heute an, für Sie ein Emissionsrecht, das zum Ausstoß einer Tonne CO2 berechtigt, zu kaufen. Die Kosten für die Beschaffung des Emissionsrechts tragen wir als Auftraggeber der Studie. Sie können wählen, ob Sie das Emissionsrecht jetzt stilllegen oder ob Sie stattdessen 5 EUR erhalten möchten.
Wenn Sie sich dafür entscheiden, das Emissionsrecht jetzt stillzulegen, muss die Industrie ab sofort eine Tonne CO2 weniger ausstoßen als vorher.
Wenn Sie sich dafür entscheiden, 5 EUR zu erhalten, werden Ihnen diese über [Umfrageunternehmen] auf Ihrem Konto gutgeschrieben.“

Antwortformat: Die Antwortmöglichkeiten sollten, wie oben beschrieben, im Fragetext bzw. in einer darunterliegenden Instruktion erläutert werden, um Verwirrung über die Kombination der Antwortoptionen vorzubeugen.
Gut die Hälfte der Befragten entschied sich im Pretest für die Antwort „weiß nicht/keine Aussage“, was allerdings unterschiedliche Gründe hatte. Um in der Befragung zwischen verschiedenen Auslösern der Antwortverweigerung unterscheiden zu können, empfehlen wir, Befragten, die „weiß nicht/keine Angabe“ wählen, eine Nachfrage zu stellen. Eine Kombination aus geschlossenen Antwortoptionen und dem offenen Textfeld erleichtert die Auswertung einer solchen Nachfrage, und bietet Befragten, die sich inhaltlich zu dem Thema oder ihrer Ent-scheidung äußern möchten, die Möglichkeit, dies zu tun.
Diese könnte wie folgt aussehen:

„Sie haben die vorangegangene Frage mit ‚weiß nicht/keine Angabe‘ beantwortet. Wieso haben Sie sich für diese Antwort entschieden?
  • Ich habe die Frage bzw. die Erläuterungen zu Emissionsrecht nicht verstanden
  • Ich wollte keine der anderen Antwortmöglichkeiten auswählen
  • Ich interessiere mich nicht für das Thema
  • Anderes (Bitte im untenstehenden Textfeld erläutern)
  • [offenes Textfeld]
Die Liste der Gründe kann nach Bedarf erweitert werden.