-
Einleitungstext: Folgende Aussagen beziehen sich auf Ihre Herkunftskultur, d.h. die Kultur, in der Ihre Eltern geboren wurden. Wenn Ihre Eltern aus verschiedenen Kulturen stammen, dann denken Sie bitte an die Kultur, die Sie selbst am meisten geprägt hat.Fragetext: Inwieweit stimmen Sie folgenden Aussagen zu oder nicht zu?Antwortkategorien
Stimme überhaupt nicht zu
Eher nicht zu
Teils, teils
Eher zu
Voll und ganz zu
Befund/Empfehlungen zur Multi-Item-Skala:-
Befund zur Multi-Item-Skala:
Frage 3 wurde allen Testpersonen gestellt. Die Antwortkategorie „stimme überhaupt nicht zu“ wurde bei keinem Item gewählt. Generell ist eine Tendenz zur Zustimmung bei allen drei Items zu beobachten.
Das zentrale Thema der Frage 3 ist die Herkunftskultur der Testpersonen. Um das Verständnis dieses Begriffes und die Assoziationen der Testpersonen genauer nachvollziehen zu können, wurden die Testpersonen gefragt, was sie unter dem Begriff „Herkunftskultur“ verstehen und ob sie Beispiele nennen können, was für ihre Herkunftskultur typisch sei.
Die Mehrheit der Testpersonen nennt auf die Frage, was sie denn unter dem Begriff „Herkunftskultur“ verstehen, Überbegriffe wie „gewisse Werte“ (TP 01), „Religion, Rituale, Traditionen“ (TP 08) oder „Leute, die ähnliche Gepflogenheiten haben“ (TP 15). Beschreibungen dieser Art wurden 11 Mal abgegeben (TP 01, 02, 03, 05, 07, 08, 09, 10, 11, 12, 15). Als konkrete Beispiele, was für die Herkunftskultur typisch sei, wurden von den Testpersonen unterschiedliche Dinge genannt. Fünf Testpersonen (TP 01, 02, 07, 12, 15) ohne Migrationshintergrund geben als Beispiel „deutsche Tugenden“ an:
- „Für mich ist das dieses pünktlich sein, korrekt sein, ehrlich sein.“ (TP 02)
- „Typisch Deutsch. So Werte, die ich von meinen Eltern mitgekriegt habe. Ob das typisch Deutsch ist, weiß ich nicht, ich denke aber schon. Fleiß, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit.“ (TP 07)
- „Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, Mitmenschlichkeit, Geselligkeit, Traditionen.“ (TP 15)
Bei Testperson 05 wird anhand der Beispiele deutlich, dass sie bei dem Begriff Herkunftskultur eher an regionale Besonderheiten gedacht hat. So beschreibt sie die pfälzische Lebensart wie „das heimatliche Essen. Die Art Feste zu feiern, Menschen sitzen zusammen und erzählen. Typisch pfälzische Weinfeste.“
Testperson 05 zählt auch zu den drei Testpersonen (TP 01, 05, 10 ohne Migrationshintergrund), die Religion als Aspekt von Herkunftskultur nennen. Testperson 05 führt „religiöse Feste wie Taufe, Erstkommunion, Firmung und so“ auf, die Testpersonen 01 und 10 nennen hier „bei der Religion hauptsächlich das Christentum, aber dass auch andere Religionen respektiert werden“ (TP 01) bzw. „christliche Kultur“ (TP 10).
Die Testpersonen 13 und 14 beschreiben auf die Frage, was sie unter Herkunftskultur verstehen, ihren persönlichen, familiären Hintergrund. Testperson 13 berichtet, „man ist geprägt durch das Umfeld“ und auf die Bitte ein typisches Beispiel zu nennen, antwortet Testperson 13 „Armut“. Auch Testperson 14 bezieht sich auf ihre „Eltern oder Großeltern“ , die aus dem „Arbeitermilieu oder Mittelstatus“ kamen. Für Testperson 14 gilt die Devise: „Man soll nicht vergessen, wo man herkommt.“ Es muss an dieser Stelle betont werden, dass diese beiden Testpersonen (TP 13: Jahrgang 1948, TP 14: Jahrgang 1945) die ältesten Teilnehmer sind und beim Beantworten vorwiegend an ihre familiäre Herkunft, aus welchem Milieu sie stammen, denken.
Auch bei den Antworten der Testpersonen 03 und 10 – beide genau wie TP 13 und 14 mindestens in zweiter Generation Deutsche – wird deutlich, dass sie sich mit dem Begriff der Herkunftskultur schwertun. Testperson 03 hat zwar eine Vorstellung davon, was mit dem Begriff gemeint ist, verspürt aber keine persönliche Verbindung zu ihrer Herkunftskultur, „weil ich mit meiner Herkunft keine bestimmte Kultur verbinde. […] Das fällt mir sehr schwer zu beantworten. Witzigerweise ist es klar, was Herkunftskultur für andere bedeutet, aber wenn ich mich betrachte, dann frage ich mich, ist meine Herkunftskultur Biertrinken, Sauerkrautessen oder so? Vielleicht ist es in Deutschland auch schwierig, da wir ein Einwanderungsland sind und so viele Einflüsse von außen haben“ (TP 03). Die Ausführung von Testperson 10 spiegelt ein ähnliches Problem wider. Sie sagt zwar, dass es um Werte und Normen des Herkunftslandes geht, „aber für was steht die deutsche Kultur? Multikulti fällt mir da ein. Es gibt viele Kulturen hier. […] Wenn ich im Ausland leben würde und man mir dann die Frage stellen würde, könnte ich sie vielleicht besser beantworten“ (TP 10).
Auch Testperson 04 hatte Probleme mit dem Begriff „Herkunftskultur“. Sie antwortet auf die gestellten Fragen recht neutral mit: „Das ist die Herkunftskultur meiner Eltern.“ Als Beispiele führt sie „Sprache, Traditionen und soziale Interaktionen“ an. Der Hintergrund dieser Problematik wurde im Verlauf des Interviews klar: beide Elternteile von Testperson 04 stammen aus China, sie ist aber in Italien geboren und aufgewachsen, bevor sie im Alter von elf Jahren nach Deutschland kam. Sie weist daher drei unterschiedliche kulturelle Hintergründe auf. Frage 3 bezieht sich auf die chinesische Herkunftskultur ihrer Eltern, Testperson 04 reiste aber lediglich im Rahmen eines Austauschprogramms in die kulturelle Heimat ihrer Eltern. Sie stimmt den einzelnen Aussagen von Frage 3 zwar zu, durch die Nachfragen wird aber ersichtlich, dass sie die geäußerte Verbindung zur chinesischen Herkunftskultur nur gering verspürt: „Wenn man mich fragt, dann sage ich, dass ich Chinesin bin. Aber ich fühle mich zu keinem Land besonders emotional verbunden.“ Für sie besteht eine starke Verbundenheit zu ihrer Familie, die hier in Deutschland wohnt: „Ich fühle mich hier wohl, weil sie hier sind. […] Das ist nicht landesabhängig sondern personenabhängig“ (TP 04).
Zu dem Begriff Herkunftskultur lässt sich festhalten, dass eine enorme Bandbreite des Begriffsverständnisses vorliegt. Das Verständnis reicht von „deutschen“ Tugenden, über die Historie eines Landes bis hin zum familiären Hintergrund und beinhaltet auch Traditionen und Wertvorstellungen.
Darüber hinaus sei an dieser Stelle darauf hingewiesen (siehe auch Frage 2), dass die Instruktion in der Frage, das Augenmerk auf die Herkunftskultur der Eltern zu richten, bei Befragten mit multikulturellen Hintergründen zu Unklarheiten führen kann. Durch eine separate Erfassung, welche andere Herkunftskultur die Befragten Ihrer Einschätzung nach geprägt hat, könnte dies vermieden werden.
Die zentralen Fragen, die durch den Pretest beantwortet werden sollten, waren: Erstens, wie wird der Begriff Herkunftskultur verstanden und besitzt er eine affektive Tönung? Zweitens, ist die Aussage b) zu komplex und drittens, wird Aussage c) als redundant zu Aussage a) wahrgenommen?
Zur ersten Frage kann zusammenfassend festhalten werden, dass auf Nachfrage ein großer Teil der Testpersonen beim Begriff Herkunftskultur das gleiche Konstrukt beschreibt: sie nennen Werte, Traditionen und Brauchtum. Konkreter beschreiben, was für sie persönlich ihre individuelle Herkunftskultur ausmacht und welchen Bezug sie dazu haben, kann nur noch die Hälfte der Befragten. Den Testpersonen mit Migrationshintergrund scheint dies deutlich leichter zu fallen als denen ohne Migrationshintergrund. Auch die Beantwortung der einzelnen Items bereitet ausschließlich den „deutschen“ Testpersonen Schwierigkeiten. Das Konzept der Herkunftskultur und die Zugehörigkeit zu dieser sind für Menschen, die Wurzeln in unterschiedlichen Kulturen haben, offenbar präsenter.
Der Begriff der Herkunftskultur ist per se nicht affektiv getönt, jedoch rechtfertigen sich drei deutsche Testpersonen bei der Beantwortung der Items damit, dass sie aber nicht zu „Pegida“ gehören, nur weil sie den Aussagen zustimmen.
Die zweite Frage, ob Aussage b) zu komplex ist, kann mit „Ja“ beantwortet werden. Zwei Testpersonen verweigern eine Antwort. Die eine weil ihr nicht klar ist, was ihr laut dieser Aussage klar sein soll, die andere weil sie nicht weiß, worin sich die Bedeutsamkeit niederschlage. Zwei weitere Testpersonen entscheiden sich für die Mittelkategorie, weil ihnen die Aussage unklar ist. Die Antworten von zwei anderen Testpersonen sind beeinflusst durch die Unsicherheit, was nun genau unter Herkunftskultur zu verstehen sei. Die Erklärungen der meisten Testpersonen beziehen sich auch nur auf den zweiten Teil der Aussage b). Sie beschreiben, welche Aspekte ihre jeweilige Herkunftskultur für sie von Bedeutung sind. Der erste Teil der Aussage, der sich auf das darüber bewusst sein, welche Bedeutung die Zugehörigkeit hat, bezieht, sorgt entweder für Unklarheit oder wird zumeist einfach ignoriert.
Aussage c) wird von zwei Drittel der Testpersonen als redundant zu Aussage a) wahrgenommen. Lediglich vier Testpersonen sehen einen Unterschied zwischen den beiden Formulierungen. Dieser besteht darin, dass die Verbundenheit zur Herkunftskultur eine emotionale Komponente aufweist, während die Zugehörigkeit primär auf „neutraler“ Zuschreibung basiert. Aussage a) erzielt infolgedessen viel Zustimmung, nur vier Testpersonen wählten hier „teils, teils“, keine stimmte der Aussage nicht zu. Da man keinen Einfluss auf die Zugehörigkeit zur eigenen Herkunftskultur hat, da sie einem quasi von Geburt an vorgegeben wird, ist die Wahrscheinlichkeit eine breite Streuung in den Antwortkategorien zu erhalten eher gering. Die nähere Beschreibung der Zugehörigkeit durch das Adjektiv „stark“ wurde nicht thematisiert. Eine gefühlsmäßige Verbindung zu seiner Herkunftskultur verspürt man nicht zwangsläufig deshalb, „weil man halt dort geboren wurde“. Daher ist Aussage c) vorzuziehen. Außerdem entspricht Aussage c) der Formulierung der darauffolgenden Frage 4, die an Menschen mit Migrationshintergrund gestellt wird, um ihre Verbundenheit mit der deutschen Kultur auszudrücken.
-
Empfehlungen zur Multi-Item-Skala:
Der Begriff Herkunftskultur variiert stark im Verständnis und wirkt besonders auf Menschen ohne Migrationshintergrund befremdlich. Um die Frage für Deutsche leichter verständlich zu machen, sollten diese explizit nach der „deutschen Kultur“ statt nach ihrer „Herkunftskultur“ gefragt werden. Darüber hinaus könnte eine Frage für Personen mit Migrationshintergrund vorgeschaltet werden, die mithilfe einer offenen Frage weitere sie prägende kulturelle Hintergründe (inklusiver einer Erklärung, was mit „Herkunftskultur“ gemeint ist) erfasst und dann an den betreffenden Stellen in den Items konkret eingesetzt werden kann, bspw. für Item c):
Ich fühle mich der [deutschen/ polnischen/ türkischen/ kurdischen etc.] Kultur eng verbunden.
Darüber hinaus ist anzumerken, dass die Antwortskala ausschließlich verschiedene Ausprägungen von Zustimmung abdeckt und der Zusatz „oder nicht zu“ in der Frage „Inwieweit stimmen Sie folgenden Aussagen zu oder nicht zu?“ nicht notwendig ist. Folglich schlagen wir folgende Formulierung innerhalb der Frage vor:
Inwieweit stimmen Sie folgenden Aussagen zu?
Im Großen und Ganzen haben die Testpersonen keine Schwierigkeiten mit der Antwortoption „teils, teils“.
Da es sich jedoch um eine unipolare Skala von Zustimmung handelt, bei der „die Mittelkategorie für eine mittlere Position, was mittels der Verwendung von Labels wie ‚mittlere Zustimmung‘ oder ‚trifft mäßig zu‘ Ausdruck findet“ (Menold & Bogner, 2015: S.5) steht, stellt analog dazu die Verwendung der Mittelkategorie „stimme mäßig zu“ eine Alternative dar.
- Eingesetzte kognitive Technik/en: Comprehension Probing, Category Selection Probing, Specific Probing
Items
Itemtext Item getestet a) Ich fühle mich meiner Herkunftskultur stark zugehörig.- Itemtext: a) Ich fühle mich meiner Herkunftskultur stark zugehörig.
- Empfehlungen: Da zwischen Item a) und Item c) von den Befragten inhaltlich kein Unterschied wahrgenommen wird und Item c) noch besser differenziert, empfehlen wir Aussage a) ersatzlos zu streichen.
-
Befund zum Item:
Item a) stimmen fünf Testpersonen (TP 01, 05, 06, 07, 14) „voll und ganz“ zu, sechs Testpersonen (TP 02, 10, 11, 12,13, 15) stimmen „eher“ zu. Vier Testpersonen (TP 03, 04, 08, 09) entscheiden sich für die Antwort „teils, teils“.
Wie oben bereits erwähnt stimmen die meisten Testpersonen diesem Item (eher) zu. Nur vier Testpersonen wählten hier die Mittelkategorie „teils, teils“. Die Testpersonen wurden gebeten zu erläutern, wieso sie dem Item zustimmen bzw. nicht zustimmen.
Zwei Testpersonen (TP 01, 07), die der Aussage „voll und ganz zustimmen“ und zwei Testpersonen, die „eher zustimmen“ (TP 10, 15) wählen ihre Antworten, „weil ich keine andere Herkunftskultur habe“ (TP 01). Für diese Testpersonen gibt es keine Vergleichsmöglichkeit, denn „ich bin hier geboren“ (TP 10). Testperson 10 erläutert ferner, „ich mag schon meine Kultur“. Ähnlich argumentiert auch Testperson 05, die auch voll und ganz zustimmt. Sie sagt: „Ich lebe im Einklang hier“ (TP 05). Testperson 06 stimmt Aussage a) ebenfalls „voll und ganz“ zu, bezieht die Antwort aber auf ihre französische Herkunftskultur. Sie erläutert, dass „die wichtigsten Zeiten [Kindheit, Jugend], die habe ich dort verbracht. […]. Der innere Kern ist der Herkunftskultur zugehörig“.
Anhand der Erläuterungen der Testpersonen 07 und 14, die „voll und ganz“ zustimmen, und 15, die Aussage a) „eher zustimmt“, kann man aber erkennen, dass sie das Bedürfnis verspüren, ihre Zustimmung zu rechtfertigen. Testperson 15 betont: „Ich gehöre aber nicht zu Pegida!“ Testperson 14 berichtet, dass sie in den Nachkriegsjahren geboren wurde und dass „man einige Epochen ausklammern muss, wo es nicht so [friedlich] gelaufen ist.“ Testperson 07 empfindet das „deutsch sein […] im Moment sehr anstrengend“.
Testperson 12 begründet ihre Antwort „stimme eher zu“ damit, dass „Deutschland keine stark prägende Kultur hat“. Sie empfindet die deutsche Kultur als „locker“ und deswegen nicht so stark zugehörigkeitserweckend. Ähnlich wie Testperson 12 begründet auch Testperson 02 ihre Antwort. Ihre Mutter stammt aus Deutschland, ihr Vater aus Italien. Sie stimmt der Aussage eher zu, „aber nicht vollkommen, weil man immer noch eine andere Weise hat, wenn man zwei Eltern hat [die eine unterschiedliche Herkunft haben]. Und deswegen habe ich nur eher zugestimmt, weil ich hier in Deutschland aufgewachsen bin und auch bei meiner Mutter hier aufgewachsen bin. Ich habe also nur teilweise die andere Seite mitbekommen“. Demgegenüber steht Testperson 13, die auch eher zustimmt, die ihre familiäre und soziale Prägung aber als so stark beschreibt, dass ihre Kultur „bis ins hohe Alter“ bleibt. Die Antwortkategorie „stimme eher zu“ besitzt hier also zwei unterschiedliche Funktionen: Zwei Testpersonen wollen damit zum Ausdruck bringen, dass sie aufgrund der wahrgenommenen geringen Prägekraft der deutschen Kultur nicht voll und ganz zustimmen, für die andere Testperson steht die Antwortkategorie dafür, dass man von seiner familiären Herkunft nicht ganz loskommen kann.
Von den vier Testpersonen (TP 03, 04, 08, 09), die der Aussage „teils, teils“ zustimmen, sind drei Migranten (TP 04, 08, 09). Testperson 03 spricht von ihrer bereits zuvor berichteten fehlenden Verbindung zu ihrer Herkunftskultur: „Teilweise fühle ich mich mit meiner Herkunftskultur verbunden, weil meine Eltern ja auch aus Deutschland stammen. Und teilweise fühle ich mich auch als Deutsche und mit der Heimat stark verbunden, teilweise auch gar nicht. Manchmal bezeichne ich mich als Weltmensch, weil ich sehr neugierig bin. Ich könnte auch gut in einem anderen Land leben.“ Die Antworten der Testpersonen mit Migrationshintergrund ähneln sich. Einerseits fühlen sie sich ihrer Herkunftskultur zugehörig, andererseits fühlen sie sich hier heimisch und verbunden (TP 08, 09). Testperson 04 berichtet, dass sie sich ihrer chinesischen Wurzeln bewusst ist, sie aber in die Traditionen und die typischen sozialen Interaktionen „nicht hineingewachsen“ ist, da sie im Rahmen eines Austauschprogramms nur für kurze Zeit in China gelebt hat, „daher ist mir das nicht in dieser Tiefe vertraut“ (TP 04).
Testperson 11, die ebenfalls einen Migrationshintergrund aufweist, stimmt der Aussage eher zu: „Ich stimme nicht voll und ganz zu, weil ich doppelkulturell aufgewachsen bin. Mit der westlichen Kultur und meiner Herkunftskultur, in die ich reingeboren wurde. Ich fühle mich da auf jeden Fall zugehörig, aber genauso sehr fühle ich mich auch der westlichen Kultur in Deutschland zugehörig“.
- Thema der Frage: Religion & Kultur/ Kulturelle Identität
- Konstrukt: Herkunftskultur
Jab) Mir ist ziemlich klar, was die Zugehörigkeit zu meiner Herkunftskultur für mich bedeutet.- Itemtext: b) Mir ist ziemlich klar, was die Zugehörigkeit zu meiner Herkunftskultur für mich bedeutet.
-
Empfehlungen:
Die Intention des Items ist sehr unklar, was auf die vage Formulierung der gesamten Aussage zurückgeführt werden kann. Wenn mit dem Item die Bedeutsamkeit der Herkunftskultur erfragt werden soll, empfehlen wir Aussage b) wie folgt umzuformulieren:
Die Zugehörigkeit zur [deutschen/ polnischen/ türkischen/ kurdischen etc.] Kultur bedeutet mir viel.
Wenn mit dem Item allerdings erfasst werden soll, ob den Testpersonen bewusst ist, welche Kriterien die Zugehörigkeit zur Herkunftskultur der Eltern ausmachen, dann empfehlen wir folgende Formulierung:
Ich weiß, was mich zu einem Teil der [deutschen/ polnischen/ türkischen/ kurdischen etc.] Kultur macht.
-
Befund zum Item:
Auch bei Item b) stimmt die Mehrheit der Testpersonen „eher“ (n=6) bzw. „voll und ganz“ (n=5) zu. Nur Testperson 03 stimmt „eher nicht zu“ und Testperson 10 entscheidet sich für die Antwort „teils, teils“.
Die Testpersonen 08 und 15 wählen hier keine Antwort aus. Beiden ist nicht klar, auf was sich diese Aussage bezieht:„Weiß nicht, was mir klar sein sollte“ (TP 08). Auf die Nachfrage, was die Zugehörigkeit zu ihrer Herkunftskultur für sie persönlich bedeutet, gibt Testperson 08 an, dass ihr die polnische Sprache wichtig sei und dass sie diese mit ihren Kindern sprechen kann. Sie führt weiter aus, dass sie zwar aus Polen komme, „ich würde aber bestimmt nicht sagen, ich bin Polin. Weil ich das eigentlich nicht mehr bin. Ich stehe so dazwischen, so eine Mischung.“ Auf die Nachfrage, ob sie sich denn als Deutsche bezeichnen würde antwortet Testperson 08 ebenfalls mit „nein, das würde ich auf keinen Fall. Ich habe einen Akzent, ich kann niemandem weißmachen, ich wäre eine Deutsche. Das möchte ich auch nicht, das brauche ich auch nicht“. Testperson 15 hat ebenfalls ein Problem. Für sie ist nicht klar, wie sich die Bedeutsamkeit äußern soll: „Was ist „mir bedeutet“? Ob ich emotional… da habe ich Probleme. Da müsste ich überlegen, worauf sich das beziehen soll. Ob ich die Hand aufs Herz lege und die Hymne singe, wenn Deutschland im Endspiel ist? Oder ob ich nur ruhig sitzen bleibe? Das ist mir von der Sache her ein bisschen unklar, in welche Richtung das geht. Geht es um Patriotismus oder umgekehrt um Abgrenzung? Da habe ich so das Gefühl, was will man von mir?“ (TP 15).
Für Testperson 08 stellt Item b) aufgrund ihres Migrationshintergrundes ein Problem dar, Testperson 15, die Deutsche ist, ist der Bezugsrahmen nicht ganz klar und sie verweigert deswegen die Antwort.
Testperson 03 stimmt der Aussage eher nicht zu, begründet ihre Antwort aber ähnlich wie die Testpersonen, die keine Antwort gegeben haben. Sie sagt, sie könne es nicht einschätzen,„was es emotional für mich bedeutet. Das wäre etwas, über das ich mir ziemlich lange Gedanken machen müsste“ (TP 03). Testperson 10 antwortete auf Item b) mit „teils, teils“, argumentiert aber ähnlich. Sie sagt, „einen Teil weiß ich, einen Teil weiß ich aber auch nicht. Da müsste ich jetzt mal googeln wie deutsche Kultur ausgedrückt wird. Ich habe mir über das Wort noch keine Gedanken gemacht“ (TP 10).
Auffällig sind hier die Erklärungen der Testpersonen mit Migrationshintergrund, im Besonderen aber die von Testperson 04, die auch bei Item a) bereits hervorstach. Sie stimmt der Aussage „voll und ganz zu“, berichtet aber sehr neutral, „ich weiß, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit ich zu 100% zu diesem Land gehöre“. Sie interpretiert die Aussage dahingehend, dass sie sich bestimmter Punkte wie Traditionen und Sprache der chinesischen Herkunftskultur ihrer Eltern bewusst sei, die sie erfüllen müsste, um dem Land gänzlich zugehörig zu sein. Sie beantwortet die Aussage demnach nicht in Bezug zur persönlichen Bedeutsamkeit der Zugehörigkeit, sondern im Hinblick auf vorhandenes Faktenwissen über die Herkunftskultur der Eltern. Im starken Gegensatz zu der Erklärung von Testperson 04 steht die Erläuterung von Testperson 06, die ebenfalls voll und ganz zustimmt. Sie begründet ihre Antwort damit, „dass ich nie sein werde, wie die Deutschen“ (TP 06). Sie ist sich ihrer kulturellen Wurzeln und deren Bedeutsamkeit für sich sehr bewusst. Testperson 09 ist sich ihrer kulturellen Wurzeln auch sehr bewusst, stimmt Aussage b) eher zu, und führt aus, dass „es mir ziemlich klar ist, was in meinem Leben anders verlaufen wäre, wenn es anders gewesen wäre. Ich kann es mir ziemlich genau vorstellen. Wenn ich den kulturellen Hintergrund nicht hätte oder wenn ich dort geblieben wäre“. Testperson 11 stimmt der Aussage auch eher zu, und führt es auf „die Traditionen und Bräuche zurück. Dass ich mich an Traditionen halte […], dass man nach dem auch so ein bisschen lebt.“
Auch die drei übrigen Testpersonen, die der Aussage voll und ganz zustimmen, begründen ihre Antworten unterschiedlich. Entweder damit, dass sie sich hier wohl und heimisch fühlen (TP 05) oder sich mit ihrer Herkunftskultur stark identifizieren (TP 14). Testperson 07 sagt, sie stimme voll und ganz zu, weil sie ihr ganzes Leben in Deutschland verbracht hat und „daher fällt mir nichts anderes ein als dem zuzustimmen“. Testperson 01 stimmt „nur“ eher zu, weil sie sich nicht zu 100% sicher ist, „was die Herkunftskultur aussagt, was dahintersteckt – außer Religion und Werte eben.“ Testperson 02 stimmt der Aussage eher zu, denn „das klingt für mich so ein bisschen wie die erste Aussage“, ebenso wie Testperson 13, die sich mit zunehmendem Alter auf ihre kulturellen bzw. familiären Wurzeln rückbesinnt. Testperson 12 antwortete „aus dem Gefühl heraus“ und hat „nicht so lange nachgedacht“.
Zu Item b) kann man festhalten, dass die Testpersonen mit ihren Assoziationen ein breites Spektrum abdecken und sich ähnliche Argumentationen in unterschiedlichen Antwortoptionen niederschlagen. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da das Item sehr vage formuliert ist und die Intention nicht klar wird.
- Thema der Frage: Religion & Kultur/ Kulturelle Identität
- Konstrukt: Herkunftskultur
Jac) Ich fühle mich meiner Herkunftskultur eng verbunden.- Itemtext: c) Ich fühle mich meiner Herkunftskultur eng verbunden.
- Empfehlungen: Ich fühle mich der [deutschen/ polnischen/ türkischen/ kurdischen etc.] Kultur eng verbunden.
-
Befund zum Item:
Item c) stimmen vier Testpersonen (TP 05, 06, 07, 14) „voll und ganz“, fünf Testpersonen (TP 01, 02, 04, 11, 13) stimmen „eher zu“. drei Testpersonen (TP 09, 12, 05) wählen hier die Antwortkategorie „teils, teils“ und drei Testpersonen (TP 03, 08, 10) „stimmen eher nicht zu“.
Fünf Testpersonen (TP 05, 06, 07, 09, 14) äußern, dass sie zwischen dieser Aussage und den vorherigen Aussagen keinen großen Unterschied ausmachen. Testperson 07 stutzt bei der Beantwortung und fragt: „Was war denn die erste Frage?“, woraufhin der Testleiter Item a) noch einmal vorliest. Die Testperson antwortet, „das ist doch dasselbe? Dann dieselbe Antwort. Ich hatte gleich das Gefühl, die will dasselbe wissen [Aussage a], hat aber eine andere Wortwahl“. Sie ergänzt noch, dass sich die Intentionen beider Aussagen bedingen: „Wenn ich mich mit etwas nicht verbunden fühle, bin ich dem auch nicht zugehörig und umgekehrt“.
Eine ähnliche Argumentation führen die fünf anderen Testpersonen bei der Nachfrage an, wieso sie sich für ihre jeweilige Antwortkategorie entschieden haben:
- „Das ist im Grunde dasselbe.“ (TP 05)
- „Das ist für mich dasselbe wie davor. Ich habe keinen Unterschied gemerkt in der Frage.“ (TP 06)
- „Es ist dasselbe. Wie die erste Aussage.“ (TP 09)
Die Reaktion von Testperson 01 verdeutlicht die als ähnlich empfundene Intention der verschiedenen Aussagen sehr gut: „Wieso ich mich zugehörig fühle?“ Sie greift also spontan die Formulierung von Aussage a) auf. Ferner berichtet sie im Anschluss, dass ihr eine Unterscheidung der Aussagen sehr schwer fiel, wobei sie der Aussage c) „eher“ zustimmt, der Aussage a) jedoch „voll und ganz“.
Drei Testpersonen (TP 02, 11, 13) stimmen Aussage c) „eher“ zu und beantworten sie ebenfalls genau wie Aussage a). Zur Begründung ihrer Antwortauswahl führt die Testperson 02 an, dass ein Teil von ihr „auf der italienischen Seite [ist] und deswegen habe ich mit eher geantwortet“. Das „nur“ eher zustimmen drückt demnach aus, dass sie der Verbundenheit zur deutschen Herkunftskultur aufgrund der italienischen Wurzeln ihres Vaters nicht voll und ganz zustimmen kann. Testperson 11 argumentiert, „allein schon durch die Eltern und durch die Familie fühlt man sich [mit der kurdischen Herkunftskultur] verbunden.“
Insgesamt fünf Testpersonen (TP 03, 04, 08, 10, 12) machen unterschiedliche Angaben für die Items a) und c).
Testperson 04 stimmt „eher zu“, „weil meine Eltern Chinesen sind, habe ich die Tendenz mich zu China hingezogen zu fühlen“.
Testperson 12 antwortet mit „teils, teils“ und bei der Erläuterung wird deutlich, dass wieder die wahrgenommene mangelnde Prägekraft der deutschen Kultur den Grund für die geringe Zustimmung zu den Aussagen darstellt: „Wenn man z.B. zusammen betet – ich habe einen Onkel, der in Dubai lebt. Und die beten 5-6 mal am Tag zusammen – da verbindet dann die Kultur mehr, wenn man was hat, was alle zusammen machemn, wie in Deutschland, wo man ganz frei ist, es ganz viele verschiedene Kulturen und Religionen gibt“.
Die Testpersonen 03, 08 und 10 antworten hier mit „stimme eher nicht zu“ und gehören wie die davor genannten Testpersonen 04 und 12 zu denen, die auf Item c) eine andere Antwort gegeben haben als auf Item a). Auf die Nachfrage hin, warum sie so geantwortet haben, folgen unterschiedliche Begründungen. Testperson 03 findet, dass „ich nicht mal genau sagen kann, was es für mich bedeutet. Dann fühle ich mich auch entsprechend nicht eng verbunden.“ Für Testperson 08 sind die Aspekte ihrer Herkunftskultur „nicht mehr so wichtig“ und sie „kann das jetzt aus Distanz sehen“. Testperson 10 kann Aussage c) nicht zustimmen, denn „wenn da jemand voll und ganz zustimmt, dann denke ich sofort an die Jungs, die in Leipzig bei der Pegida mitlaufen. Das ist das erste, was mir einfällt. Die sind arg mit ihrer Herkunftskultur verbunden. Die möchten alles dafür tun, dass ihre Kultur erhalten bleibt. Ich mag dieses Wort Herkunftskultur einfach nicht“.
Eine ähnliche Assoziation wird durch Frage 3 auch in Testperson 15 (Antwort: „teils, teils“), die beim Beantworten unangenehm berührt wirkt, geweckt. Sie begründet die Wahl ihrer Antwort damit, dass „ich nicht genau wusste, was will man hier von mir? Deswegen habe ich ein bisschen vorsichtig formuliert, weder klar „Ja“ noch klar „Nein“, um einfach noch in der Mitte zu sein“. Sie befürchtete, dass sie durch Zustimmung zu den Aussagen in die politisch rechte Ecke eingeordnet wird.
Die Testpersonen, deren Antworten von Aussage a) und c) unterschiedlich ausfielen, wurden gebeten zu schildern, worin ihrer Meinung nach der Unterschied zwischen den beiden liegt. Vier Testpersonen (TP 03, 04, 08, 10) definieren „Zugehörigkeit“ so, dass es ausreicht „hier geboren, hier aufgewachsen“ (TP 10) zu sein, um sich zugehörig zu fühlen. „Verbundenheit“ ist dahingegen durch eine emotionale Komponente gezeichnet: „Eng verbunden klingt für mich sehr emotional. […] Und stark zugehörig heißt, man gehört dazu. Man kann ja auch zu einer Gruppe gehören, also ich bin Deutscher, weil ich deutsch geboren wurde, und Herkunftskultur eng verbunden wäre ja emotional. Und ich kann zwar Deutsche sein und dazugehören, aber mich gar nicht damit verbunden fühlen“ (TP 03).
Testperson 12 würde nach genauerer Betrachtung beider Aussagen ihre Antwort auf Aussage a) revidieren und diese von „stimme eher zu“ zu „teils, teils“ abändern: „Ich würde bei dem stark zugehörig jetzt auch eher ‚teils, teils‘ angeben, wenn ich jetzt so darüber nachdenke. Das war so aus dem Gefühl heraus. Einen großen Unterschied gibt es zwischen den Aussagen nicht“.
Testperson 15 antwortet zwar unterschiedlich, „die Fragen machen für mich aber keinen Unterschied. Ob eng verbunden oder stark zugehörig, das ist für mich das Gleiche.“ Als Begründung für die abweichenden Antwortkategorien führt sie an, dass „die zweite Frage kam. Da habe ich noch mehr gebremst“. Sie fühlte sich – wie oben beschrieben – in die politisch rechte Ecke gedrängt.
Für die Hälfte der Testpersonen ist der einzige Unterschied zwischen den Aussagen a) und c) die Formulierungen der Items, ihre Intentionen sind die gleichen. Für vier Testpersonen besitzt die Formulierung von Aussage c) eine emotionale Färbung. Dies könnte auch der Grund sein, warum einige Testpersonen auf dieses Item ablehnend reagieren, wohingegen keine Testperson Aussage a) nicht zustimmt.
- Thema der Frage: Religion & Kultur/ Kulturelle Identität
- Konstrukt: Herkunftskultur
Ja