Islamistische Einstellungen bei jugendlichen Musliminnen und Muslimen in Deutschland

Allgemeine Informationen:

Filter: nur wenn Frage 3=ja (Befragter fühlt sich einer Glaubensgemeinschaft zugehörig)

Fragetext:

Bitte geben Sie an, wie sehr Sie den nachfolgenden Aussagen zustimmen.

Antwortkategorien:

stimme überhaupt nicht zu
stimme eher nicht zu
mittlere Zustimmung
stimme eher zu
stimme voll und ganz zu
In der türkischen Übersetzung bedeuten die zweite und vierte Antwortoption „stimme nicht zu“ bzw. „stimme zu“; die mittlere Kategorie bedeutet „stimme etwas zu“ (TR07, TR08). Damit besitzt die Skala im Türkischen keine ausgewogene Antwortoption in der Mitte. Die deutsche Formulierung für die mittlere Kategorie ist „mittlere Zustimmung“, was ebenfalls keine ausgewogene Meinung darstellt, sondern eher Zustimmung impliziert. Bei der Überarbeitung der Skala sollte darauf geachtet werden, was die mittlere Kategorie ausdrücken soll.
Bei dieser Item-Batterie kommt es erstmals zu Antwortverweigerungen aufseiten einzelner Testpersonen. Eine arabischsprachige Testperson beantwortet nur die vierte Aussage (AR11); eine türkischsprachige Testperson beantwortet keine der vier Items (TR08). Die Gründe werden im Folgenden dargelegt.

Der Begriff „Organisation“

Mehrere Testpersonen bemängeln, dass der Begriff „Organisation“ nicht näher definiert wird. Dies führt zu unterschiedlichen Effekten. So entscheidet sich einer der Antwortverweigerer nicht zu antworten, weil er nicht weiß, welche Organisation gemeint ist und was er mit seiner Zustimmung unterstützen würde (TR08). Eine andere Testperson wählt die mittlere Antwortoption („mittlere Zustimmung“), weil es auf die Art der Organisation ankomme (DE03).

Diese Unklarheit bei der Auslegung des Begriffs „Organisation“ führt auch bei anderen Begriffen zu Unsicherheiten. So fragt eine Testperson spontan beim zweiten Item „Wofür wird gespendet?“ und als der Interviewer dies nicht genau definiert, entscheidet sie sich dafür, unter diesen Prämissen „stimme überhaupt nicht zu“ zu antworten (DE01). Beim dritten Item fragt dieselbe Testperson, welche Rechte gemeint sind und wählt letzten Endes aufgrund der Unsicherheit „stimme eher nicht zu“.

Andere Testpersonen haben zwar ein klares, aber stark divergierendes Verständnis des Begriffs Organi-sation. Einige denken ausschließlich an moderate Organisationen, die über den Islam aufklären oder zu seiner Integration in Deutschland beitragen. Die meisten können keine konkrete Organisation benennen. Ausnahmen sind die Gruppe „Lies!“, die von zwei Testpersonen genannt wird (DE02, DE05). Eine weitere Testperson nennt die Gruppe „Diyanet“ (TR09). In keinem der Fälle können die Testpersonen erklären, was die Gruppe genau macht. Andere Beispiele bleiben vage: Organisationen, die für Religionsfreiheit eintreten, inklusive das Recht ein Kopftuch zu tragen oder es zu lassen, „die auf Schulen und Kindertagesstätten zugehen“ (DE03), oder Spendenorganisationen allgemein und für Krisengebiete (TR06, TR08).

Andere Testpersonen hingegen denken an extremistische Organisationen im Allgemeinen (AR14, DE05), bezeichnen diese als „Gruppe, die den Islam falsch versteht“ (DE01) oder nennen ISIS (AR11) und den Jihad als Extrembeispiel (AR13). Diese Testpersonen zeigen eine ablehnende Haltung den Items gegen-über.

Der Begriff „kämpfen“

Das Wort für „kämpfen“ ist in der arabischen Übersetzung nicht im übertragenen Sinne verwendbar; zwei Testpersonen äußern sich belustigt und verwundert über das Wort (AR13, AR14). Eine Testperson versteht das Wort sogar so, dass es töten umfassen würde.

Die arabischsprechende Testperson, die die ersten drei Items unbeantwortet lässt, begründet ihr Ver-halten damit, dass es falsch interpretiert werden würde, wenn man sich für Religion einsetzt (AR11). Es ist anzunehmen, dass er das vierte Item nicht als so kritisch empfunden hat, weil das Verb „kämpfen“ nicht darin vorkommt, sondern „unterstützen“.

Allerdings muss angemerkt werden, dass auch eine deutschsprachige Testperson das deutsche Wort „kämpfen“ im wörtlichen Sinne als physische Auseinandersetzung versteht (DE01).

Der Begriff „religiöse Gruppe“

Der Begriff der religiösen Gruppe wird mit dem Islam im Allgemeinen oder der Gemeinde ihrer Moschee gleichgesetzt. Er wird nicht negativ ausgelegt und bereitet keine Verständnisprobleme.

Antwortauswahl

Innerhalb derjenigen, die sich moderate Organisationen vorstellen, beantworten die Testpersonen die Items im Sinne der Frageintention. Während einige Testpersonen sich gerne aktiv für ihren Glauben in verschiedenen Formen einsetzen (TR10), sind manche nur zu bestimmten Aktivitäten bereit (DE03, DE04). Wieder andere würden ihre Zeit lieber anders verbringen (AR14) oder bezeichnen Religion als Privatsache, für die man sich nicht öffentlichkeitswirksam einsetzen sollte (DE05, TR09).

Allerdings spiegelt die Frage in der jetzigen Form in erster Linie die Auslegung der Begriffe „Organisa-tion“ und „kämpfen“ wider. Zustimmung zu den Items ist dahingehend zu deuten, dass ein Befragter stärker an moderate Organisationen und ein friedliches Einsetzen für den Glauben dachte. Ablehnung der Items kann entweder bedeuten, dass eine Testperson sich nicht für ihre Religion einsetzen möchte, oder dass sie vermuten oder befürchten, dass extremistische Organisationen und Gewalttaten bei dieser Frage gemeint sind.

Eine arabischsprachige Testperson lässt sich die Items auf Deutsch vorlesen. Diese Items legt sie im friedlichen Sinne aus. Sie empfiehlt, im Arabischen statt des Wortes für „Organisation“ das Wort für „Stiftung“ zu benutzen (AR13).

Eingesetzte kognitive Technik/en:

General Probing, Comprehension Probing, Specific Probing
Itemtext Aktiv getestet
Ich würde einer Organisation beitreten, die für die Rechte meiner religiösen Gruppe kämpft. Nein
Ich würde einer Organisation Geld spenden, die für die Rechte meiner religiösen Gruppe kämpft. Nein
Ich würde meine Zeit dafür hergeben (z. B. Briefe schreiben, Flugblätter verteilen, Leute anwerben usw.), für eine Organisation zu arbeiten, die für die Rechte meiner religiösen Gruppe kämpft. Nein
Ich würde mir die Zeit nehmen und mich an öffentlichen Kundgebungen, Protesten oder Demonstrationen beteiligen, um meine religiöse Gruppe zu unterstützen. Nein